Warum aus Liebe (manchmal) eben doch Freundschaft werden kann

“Lass uns Freunde bleiben.“ Nicht selten ist dies der letzte Satz, den man von seinem Ex-Partner zu hören bekommt, bevor der Kontakt nach und nach auseinanderbricht. Wo früher mal innige Liebe war, ist dann nur noch Leere. Dinge, die man mal miteinander geteilt hat, behält man für sich – oder teilt sie eben mit anderen Menschen. Und alles, was man einander mal bedeutet hat, scheint plötzlich bedeutungslos.

Wenn sich das Ende einer Liebesbeziehung ankündigt, dann stellen sich viele Menschen die Frage: Kämpfe ich um die Liebe oder trenne ich mich und verliere die Person als Teil meines Lebens? Liebe ist für viele von uns etwas Absolutes. Sobald wir uns einmal für einen Partner an unserer Seite entschieden haben, sind wir wahre Weltmeister darin, alle Erwartungen, die wir an eine funktionierende Beziehung haben, auf ihn zu projizieren.

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Gefühle sind nicht statisch 

Und wenn es ihm irgendwann nicht mehr gelingt, unsere Erwartungen zu erfüllen, wenn die Leidenschaft sich verabschiedet oder die Gefühle sich verändern – dann ist er eben abgeschrieben. Und so verschwinden reihenweise Menschen aus unserem Leben, die wir mal zu den wichtigsten Personen gezählt haben. Einfach, weil die Liebe weg ist. Ganz oder gar nicht, eben – richtig? Falsch.

Denn Gefühle sind nicht statisch und damit auch nichts Absolutes. Und Liebe ist etwa das tiefste Gefühl, zu dem wir Menschen fähig sind. Und wenn die Liebe nicht mehr für eine romantische Beziehung ausreicht, dann heißt das nicht automatisch, dass wir für unseren Partner nichts mehr übrighaben. Im Gegenteil: Eine Liebesbeziehung basiert nicht nur auf Liebe, sondern auch auf gegenseitigem Respekt, Vertrauen, Wertschätzung und vielen anderen individuellen Säulen.

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Der Punkt ist: Wir alle verändern uns im Laufe unseres Lebens. Und manchmal passiert es innerhalb einer Beziehung nun mal, dass man sich auseinanderlebt und die Gefühle füreinander sich verändern. Und trotzdem kann und darf man sich weiterhin wichtig sein – auf freundschaftlicher Ebene. Oder noch deutlicher: Man sollte es sogar versuchen.

Ja, “Freunde bleiben“ ist ein weit verbreitetes Klischee und wird gerne als Floskel abgestempelt. Viele Menschen, die sich von ihrem Partner trennen, werfen den Satz noch schnell hinterher, um die eigenen Schuldgefühle zu beruhigen und den Schmerz abzumildern. Aber es gibt eben auch genug Menschen, die wirklich bereit sind, sich von dem “Ganz oder gar nicht“ für das “oder“ zu entscheiden.

Leben und lieben in Grautönen

Es ist doch so: Das gesamte Leben findet nicht im Absoluten, nicht in Schwarz oder Weiß statt. Wir leben vielmehr die Graustufen dazwischen. Wenn uns das auch in der Liebe gelingt, dann müssen wir uns in einer unglücklichen Beziehung nicht mehr entscheiden, ob wir daran festhalten, um den Menschen nicht zu verlieren oder ob wir den Verlust hinnehmen, um irgendwann wieder glücklich lieben zu können. In den Graustufen ist eine Trennung auch ohne Kontaktabbruch möglich.

Natürlich ist das nichts, das man pauschalisieren sollte. Es gibt unzählige Gründe, warum Liebesbeziehungen scheitern. Und – auch das gehört zur Wahrheit dazu – oft schließt das Ende einer Beziehung eine Freundschaft mit dem Partner kategorisch aus. Das ist vor allem dann der Fall, wenn es innerhalb der Partnerschaft Lügen, Manipulation, Betrug oder sogar Gewalt gab. In diesem Fall – bei aller Liebe – ist kein Raum für eine ehrliche Freundschaft.

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Generell gilt: Wenn die Trennung auf Augenhöhe und einvernehmlich stattfindet und beide sich darüber im Klaren sind, dass es kein Zurück mehr zur Liebe geben wird, dann ist Freundschaft grundsätzlich möglich. Und zwar auch nur dann, wenn wirklich alle Themen aus der Liebesbeziehung für beide Seiten abgeschlossen sind. Ansonsten könnte die Freundschaft am Ende zur endlosen Wiederholung alter Fehler werden.

Aus Freundschaft wird Liebe – und umgekehrt?

Aber warum sollte man eigentlich mit seinem Ex befreundet sein? Es gibt schließlich gute Gründe für die Trennung. Aber die gab es eben vermutlich auch dafür, dass man sich einmal dafür entschieden hat, diesem einen Menschen einen so großen Platz im eigenen Leben einzuräumen. Vielleicht teilt man Interessen, hat einen ähnlichen Freundeskreis oder gibt sich gegenseitig etwas, das man von anderen Menschen nicht bekommt – Wertschätzung, Aufmerksamkeit oder Ähnliches.

Oft ist die Liebe außerdem aus einer Freundschaft entstanden, wie eine Studie der Universität in British Columbia zeigen konnte. 68 Prozent der Befragten waren demnach erst befreundet, bevor sie sich ineinander verliebten. Umso absurder, den Schritt zurück nicht wenigstens auch in Betracht zu ziehen, wenn die romantische Liebe verschwindet. Denn die Freundschaft ist streng genommen auch eine Form der Liebe. Man kann sagen, die kleine – aber oft eben zuverlässigere – Schwester.

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Die Ähnlichkeit wird noch deutlicher, wenn wir uns einmal anschauen, wie Liebe und Freundschaft entstehen: Wir finden Menschen sympathisch, teilen ähnliche Ansichten, lachen gemeinsam, können einander gut riechen und harmonieren miteinander. Das ist Freundschaft. Für Liebe kommt dann noch die sexuelle Komponente gepaart mit einem bindungsfreudigen Hormoncocktail obendrauf. Aber rein pragmatisch betrachtet ist es eine einfache Plus-Minus-Rechnung, bei der am Ende immer ein Ergebnis übrigbleibt: Der Mensch.

Jeder Weg kann richtig sein – solange er glücklich macht

Ein Mensch, mit dem wir vermutlich unsere tiefsten Gedanken, größten Träume und schlimmsten Ängste geteilt haben und der uns bei unseren Höhenflügen Aufwind gegeben hat, genauso wie er uns beim Fallen aufgefangen hat. Ein Mensch, der sich weiterentwickelt hat, genauso wie wir auch. Nur eben manchmal in eine andere Richtung. Beziehungen zerbrechen, das gehört zum Leben dazu. Aber manchmal ist das eben kein Grund, gleich den ganzen Menschen aus unserem Leben zu verbannen.

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Viele Menschen denken trotzdem nicht im Traum daran, mit ihrem Ex den Kontakt zu halten. Ihr gutes Recht. Es gibt wie gesagt gute Gründe dafür, unsere Ex-Liebschaft gedanklich auf den Mond zu schießen. Aber wenn der Gedanke an Freundschaft nur absurd erscheint, weil “man das eben nicht so macht“, dann sollten wir zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es zwischen “Liebe des Lebens“ und “entfernter Bekannter“ noch sehr viel Spielraum für den Weg gibt, der einen selbst glücklich macht.

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