Zahnärzte aus Schleswig-Holstein üben Kritik, Apotheken sind bundesweit bereit

Anders als die Kassenärzte wollen die Zahnärzte in Schleswig-Holstein den E-Rezept-Rollout, der am 1. September startet, weiter begleiten. Glücklich sind sie aber mit den aktuellen Rahmenbedingungen nicht, betonen sie in einer Mitteilung. Die Apotheken in Westfalen-Lippe zeigen sich hingegen zuversichtlich, bitten aber auch um Geduld, sollte anfangs nicht alles glatt laufen.

Dass die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein sich aus dem geplanten E-Rezept-Start am 1. September zurückgezogen hat, schlug Anfang der Woche hohe Wellen. Ohne die Möglichkeit, E-Rezepte per E-Mail oder SMS zu versenden – diese Option hatte die Landesdatenschützerin Marit Hansen untersagt –, sieht die KV keinen Nutzen mehr im E-Rezept und will beim Rollout nicht mehr mitmachen.

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Noch dabei ist hingegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KZV SH). Sie äußert sich jetzt allerdings ebenfalls kritisch zu den Bedingungen, unter denen das E-Rezept im Norden starten soll. „Wir müssen feststellen, dass die Versicherten wenige Tage vor dem geplanten Rollout nur äußerst unzureichend über das E-Rezept informiert sind“, sagt der Vorstandsvorsitzende der KZV SH, Michael Diercks. Sowohl die Krankenkassen als auch die Gematik und das Bundesgesundheitsministerium seien nun in der Pflicht, die Patienten umfassend zu informieren. „Die grundsätzliche Aufklärung über das E-Rezept kann neben der Patientenversorgung nicht von den Praxen geleistet werden.“

Kaum jemand kann Gematik-App für das E-Rezept nutzen

Kaum ein Patient kenne die E-Rezept-App der Gematik, monieren die Zahnärzte. Ohnehin sei der potenzielle Nutzerkreis stark eingeschränkt, da für die App eine NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte (eGK) und ein NFC-fähiges Smartphone, für den vollen Funktionsumfang außerdem auch eine PIN der Krankenkasse für die eGK und eine Registrierung in der App notwendig sind. „Nur wenige Patienten verfügen – auch aufgrund des Chipmangels – bisher überhaupt über eine solche eGK oder besitzen ein entsprechendes Smartphone-Modell“, sagt Peter Oleownik, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KZV SH. Das Einrichten und Aktivieren der App sei umständlich und würde zusätzlich durch das Verbot des VideoIdent-Verfahrens der Krankenkassen erschwert.

Vor allem für ältere Patienten sei die Nutzung der App grundsätzlich eine große Hürde. Nutzt der Patient die App nicht, erhält er – wie beim herkömmlichen rosa Rezept – einen Ausdruck. In der Praxis betreffe das rund 99 Prozent der Verordnungsfälle. „Der Ausdruck eines QR-Codes auf ein weißes Blatt Papier anstelle der Ausstellung eines rosa Rezeptformulars ist kein elektronisches Rezept“, so Diercks. Und Oleownik ergänzt: „Die Ziele, die die Politik mit dem E-Rezept verfolgt, sind derzeit nicht realisiert: Der bürokratische Aufwand für die Erstellung des E-Rezepts in den Praxen wird nicht etwa reduziert, sondern erhöht sich sogar. Medienbrüche bestehen weiterhin.“

KZV SH: Voraussetzungen für erfolgreichen E-Rezept-Start sind nicht gegeben

In den zwei Monaten des intensiven Austauschs mit der Gematik und den anderen Beteiligten habe die KZV feststellen müssen, dass „die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einführung des E-Rezeptes leider nicht gegeben sind“, fasst Oleownik zusammen. Hinzu komme, dass einige Hersteller von Praxisverwaltungssoftware den Praxen die notwendigen Module zur Erstellung eines E-Rezepts noch immer nicht zur Verfügung gestellt haben, sodass ein Test vor dem Rollout-Termin nicht möglich ist. „Die KZV Schleswig-Holstein wird ihre Mitglieder bei der Umsetzung des E-Rezepts in den Praxen selbstverständlich weiter unterstützen“, erklären Oleownik und Diercks. Eine Umfrage unter den schleswig-holsteinischen Zahnärzten habe allerdings erhebliche Kritik am Projekt zutage treten lassen. Dabei hänge der Erfolg des E-Rezepts jedoch wesentlich von der Akzeptanz aller Beteiligten ab.

Anders als die KV Schleswig-Holstein macht die KV Westfalen-Lippe weiter mit beim Rollout der elektronischen Verordnungen, knüpft ihr Engagement aber an eine Bedingung: Innerhalb von drei Monaten nach dem Start soll die Möglichkeit bestehen, das E-Rezept mithilfe der eGK zu übermitteln. „Das ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Einführung des E-Rezepts und nicht verhandelbar“, sagt KVWL-Vorstand Thomas Müller.

Auch die ABDA hofft auf eGK-Lösung

Diesen Weg favorisiert auch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening: „Wenn Patientinnen und Patienten zur Übermittlung des E-Rezeptes zunächst in der Arztpraxis und dann in der Apotheke einfach ihre eGK in ein Kartenlesegerät einstecken können, ist das ein erstrebenswerter und sehr komfortabler Prozess“, unterstreicht sie laut einer ABA-Pressemitteilung. „Das muss in den kommenden Monaten möglich werden. Gemeinsam können dann Arztpraxen, Apotheken und Krankenkassen das E-Rezept zum Erfolg führen. Damit bieten wir einen spürbaren Nutzen für die Versorgung der Patientinnen und Patienten.“

Mehr als 10.000 Apotheken in Deutschland sind der ABDA zufolge schon jetzt bereit, neben Papierrezepten auch elektronische Verordnungen anzunehmen. Von den bundesweit etwa 18.000 Apotheken haben sich demnach schon 55 Prozent als startklar für das E-Rezept erklärt, in den beiden Startregionen Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein seien es sogar etwa drei Viertel. „Das E-Rezept kann somit fristgerecht ab 1. September 2022 bundesweit in den Apotheken eingelöst werden“, schreibt die ABDA.

Westfalen-Lippe: Apotheken bitten um Geduld

Die Apotheken in Westfalen-Lippe versprechen sich derweil ab September durch die elektronischen Verordnungen viele Vorteile für ihre Patientinnen und Patienten, bitten aber zum Auftakt auch noch um Geduld. Denn die meisten Bürgerinnen und Bürger dürften zunächst stufenweise an das E-Rezept herangeführt werden, schreiben Apothekerverband und Apothekerkammer in einer gemeinsamen Pressemitteilung.

Zum Start werden Arztpraxen, die sich bereits an dem Projekt beteiligen, ihren Patientinnen und Patienten meist einen Papierausdruck mit einem QR-Code mitgeben. Nur wer über ein NFC-fähiges Smartphone sowie eine NFC-fähige Gesundheitskarte samt PIN verfügt, kann die digitalen Verordnungen über die von der Gematik entwickelte App „Das E-Rezept“ empfangen. Ab 2023 sollen E-Rezepte zudem über die elektronische Gesundheitskarte in der Apotheke eingelöst werden können. „Auf diesen drei Wegen – Papier, App und elektronische Gesundheitskarte – ist sichergestellt, dass die sensiblen Daten der Patienten gut geschützt sind“, betont AVWL-Chef Thomas Rochell. Abzuraten sei derzeit noch davon, den E-Rezept-Token auf anderen Wegen zu versenden bzw. weiterzuleiten.

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