WHO-Expertenrat fordert: Labor-These zum Corona-Ursprung weiter untersuchen

Auf der Suche nach dem Ursprung des Coronavirus Sars-CoV-2 muss nach Meinung eines neuen Expertenrates auch die Möglichkeit eines Entweichens aus einem Labor untersucht werden. Das hat der unabhängige Expertenrat (SAGO) am Donnerstag in Genf empfohlen, den die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Oktober 2021 ins Leben rief. Mitglied ist auch der Berliner Virenforscher Christian Drosten. Es seien weitere Studien erforderlich, um auch "die Möglichkeit einer Einschleppung von Sars-CoV-2 in die menschliche Bevölkerung durch einen Laborunfall zu bewerten".

Bei den Untersuchungen zum Ursprung des Coronavirus seien noch viele wichtige Fragen offen, erklärte das Gremium. Die wahrscheinlichste Theorie sei weiterhin, dass das Coronavirus von einem Tier über einen Zwischenwirt auf den Menschen übergesprungen sei – auch wenn der ursprüngliche Wirt, der oder die Zwischenwirte und der genaue Übertragungsweg immer noch nicht geklärt seien.

Labortheorie und Virenforschung


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Corona-Ursprung: Labor-These eine von vielen

In Wuhan in China, wo Ende 2019 die ersten Sars-CoV-2-Fälle auftauchten, wird an Coronaviren geforscht. Zu den nötigen Untersuchungen gehöre eine "Bewertung potenzieller Szenarien, in denen ein Versagen der Biosicherheitsverfahren zu einer möglichen laborbedingten Infektion mit dem untersuchten Erreger geführt hat", heißt es in dem Bericht. Die Empfehlung sage nichts darüber aus, wie wahrscheinlich die Labor-These sei, betonte die Ratsvorsitzende Marietjie Venter. Auch um sie zu widerlegen, seien Untersuchungen aber nötig.

"Dass es in dem Bericht steht, bedeutet nicht, dass wir es definitiv glauben", sagte sie mit Blick auf die Labor-These. Ihr Kollege Jean-Claude Manuguerra fügte hinzu: "Wir müssen offen sein und alle Hypothesen prüfen, einschließlich dieser einen."

Die SAGO-Experten fordern unter anderem Zugang zu Personal und Daten von Forschungslaboren in China und anderen Ländern, die mit Coronaviren arbeiten, um deren Sicherheitsvorkehrungen zu überprüfen.

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Wissenschaftler aus China, Russland und Brasilien verhindern Konsens

Drei Mitglieder des knapp 30-köpfigen Gremiums wollten diese Empfehlung aber nicht mittragen: Die Wissenschaftler aus China, Russland und Brasilien hielten ihre Ablehnung in einer Fußnote des Berichtes fest. China weist die These zurück, dass das Virus aus einem chinesischen Labor stammen könnte. Und Peking lehnt die Anreise einer weiteren internationalen Expertengruppe zur Suche nach dem Virusursprung ab. Dem Rat hätten zahlreiche chinesische Wissenschaftler angehört. Es seien dennoch zahlreiche Fragen offen, sagte Venter – etwa über die Märkte in Wuhan, die Herkunft von Tieren und frühe mögliche Corona-Infizierte in China.

Man werde alles tun, um die SAGO-Empfehlungen umzusetzen, sagte WHO-Corona-Expertin Maria van Kerkhove. Dazu sei aber die Kooperation der Länder nötig.

Spannungen zwischen China und USA verhinderten Experten-Rise

Der Rat soll Richtlinien entwickeln, damit künftige Untersuchungen bei Pandemieausbrüchen zügiger begonnen werden können. Beim Coronavirus gab es Spannungen vor allem zwischen China und den USA. Der frühere US-Präsident Donald Trump gab China Schuld an der Ausbreitung des Virus.

Wegen der Spannungen konnten die internationalen Experten erst 2021 in China einreisen – mehr als ein Jahr nach Entdeckung des Virus. Der von den Experten vorgelegte Bericht lieferte aber keine klaren Ergebnisse zum Ursprung der Pandemie. Die sogenannte Labor-These stuften die WHO-Experten als "extrem unwahrscheinlich" ein.

An dem Bericht und der Untersuchung selbst waren aber schnell Zweifel und Kritik laut geworden. Viele Länder äußerten Besorgnis darüber, dass den internationalen Experten bei ihrer Untersuchung in China Zugang zu wichtigen Daten verwehrt worden sei. Weitere Untersuchungen, wie auch von WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus gefordert wurden, lehnt die chinesische Regierung bisher vehement ab.

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