Corona-Impfung für Kinder: Spahn will nicht auf STIKO-Empfehlung warten
Mit dem Beschluss, auch gesunde Kinder und Jugendliche gegen das Coronavirus zu impfen, wird sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wohl erneut über eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission hinwegsetzen. Nun hagelt es Kritik von mehreren Fachgesellschaften, die auf die Expertise der STIKO vertrauen.
Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) wird die Corona-Impfung wahrscheinlich nicht für alle Kinder und Jugendlichen empfehlen, sondern nur für solche mit Vorerkrankungen. Der Grund: Bei gesunden Kindern ist es nicht sicher, dass der Nutzen der Impfung deren Risiken überwiegt. Doch die Politik wartet nicht einmal ab, bis die Impfkommission am kommenden Mittwoch ihre Entscheidung bekannt gibt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will bereits ab heute (Montag) allen Kindern und Jugendlichen ein “Impfangebot” machen. Sie können nun mit der Vakzine von Biontech/Pfizer geimpft werden, die in der EU ab zwölf Jahren zugelassen wurde. Die Einschätzung des Expertengremiums will der Minister dabei offenbar ignorieren.
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Dafür erntet Spahn massive Kritik, viele Experten stellen sich hinter die STIKO. Von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) gibt es eine Pressemitteilung zum Thema. Darin heißt es, DEGAM-Präsident Professor Martin Scherer sei „verärgert darüber, dass der Sinn einer unabhängigen STIKO-Empfehlung noch vor deren Veröffentlichung öffentlich infrage gestellt wird”. Spahns Vorgehen widerspreche „einer seit jeher etablierten Praxis”. Die Politik solle das Vertrauen in die wissenschaftliche Expertise der STIKO nicht untergraben, denn dadurch könne das Vertrauen der Bürger in wissenschaftlich fundierte Bewertungen insgesamt nachhaltig beschädigt werden.
Auch die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) hat eine Stellungnahme zum Thema veröffentlicht, die von 27 Fachgesellschaften unterzeichnet wurde, darunter die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene, die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und die Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie.
Die Fachgesellschaften und die AWMF sprechen der STIKO darin „ihr ausdrückliches Vertrauen aus”. Indirekt wird in der Veröffentlichung davor gewarnt, die Impfkommission von außen beeinflussen zu wollen. Die STIKO-Mitglieder müssten „weiter unabhängig und objektiv agieren können,” heißt es darin. Im Hinblick auf die Impfstrategie für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren sei die STIKO zudem als „der Wissenschaft und Evidenz verpflichtetes Expertengremium dringend notwendig”.
Es ist äußerst ungewöhnlich, dass Empfehlungen der Ständigen Impfkommission durch die Politik übergangen werden. Spahn allerdings setzt sich nun schon zum wiederholten Mal über das Expertengremium hinweg und muss sich den Vorwurf politischen Kalküls gefallen lassen.
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