Coronavirus: Wie groß ist die Ansteckungsgefahr in Restaurants?
Im Sommer wollte Großbritannien den Gastwirten helfen, die im Frühjahr zwangsweise hatten schließen müssen und große Einbußen hatten. „Eat out to help out“, hieß das Konzept: Iss auswärts, um sie zu unterstützen. Teilnehmenden an der Aktion wurde die Hälfte der Kosten für Essen und nicht alkoholische Getränke erstattet. Wirtschaftlich mag die Maßnahme ein Erfolg gewesen sein – doch für das Coronavirus war sie es laut einer aktuellen, vorveröffentlichten Studie wohl auch.
Thiemo Fetzer von der University of Warwick berichtet, dass die Infektionen eine Woche nach dem Start des Programms lokal stiegen und in den zwei Wochen nach dessen Ende wieder abflachten. Der Forscher schreibt, laut einer groben Kalkulation sei die Maßnahme für 8 bis 17 Prozent der neuen Infektionscluster in dieser Zeit verantwortlich.
Essen, trinken, lachen und sich nahekommen
Die Rechnung muss man mit einer gewissen Skepsis betrachten: Die Studie ist noch nicht durch eine sogenannte Peer Review gegangen, in der andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Arbeit bewerten und auf Schwachstellen hinweisen, die behoben werden müssen. Gleichzeitig ist es naheliegend, dass ein Programm, das dazu führt, dass Restaurants an bestimmten Wochentagen gut besucht sind, auch dazu beiträgt, dass sich Menschen anstecken.
Auch in Deutschland gab es Ausbrüche, die sich auf Gastronomiebetriebe zurückführen ließen, etwas im ostfriesischen Leer.
Zwar diskutiert man im Detail noch darüber, welchen Anteil bei der Übertragung des Virus direkte Tröpfcheninfektionen, Aerosole und verunreinigte Oberflächen haben. Viele Ausbrüche zeigen aber, dass es vor allem dann riskant wird, wenn Menschen
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über einen längeren Zeitraum eng beieinander sind,
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keinen Mund-Nasen-Schutz tragen,
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gleichzeitig dazu beitragen, die Menge an Tröpfchen und Aerosolen in der Luft zu erhöhen – beim Singen etwa oder bei körperlicher Anstrengung.
Was tun Menschen im Restaurant? Sie setzen die Masken ab, um zu essen und zu trinken – und sie sprechen miteinander, lachen laut, beugen sich zu Tischnachbarn hinüber. Gute Voraussetzungen für das Virus.
Wenig Wissen über Ansteckungsorte
Wie viele Ansteckungen aber tatsächlich in Restaurants passieren und wie gut die vor dem Shutdown etablierten Hygienekonzepte dies verhindern, weiß man leider nach wie vor nicht. Denn insgesamt ist in Deutschland über die jeweiligen Ansteckungsorte wenig bekannt.
Das Robert Koch-Institut (RKI) berichtet zwar einmal pro Woche, wo Ansteckungen stattgefunden haben, etwa in dieser Übersicht.
Darstellung der gemeldeten Covid-19-Fälle nach Infektionsumfeld (Setting) und Kalenderwoche, die vom jeweiligen Gesundheitsamt einem Ausbruch zugeordnet wurden. Abgebildet werden alle Fälle aus Ausbrüchen mit zwei oder mehr Fällen.
Doch die Grafik kann leicht in die Irre führen. Denn sie zeigt nur die gemeldeten Covid-19-Fälle, die einem Ausbruch zugeordnet wurden. Das passiert laut RKI nur bei einem Viertel der Fälle. Heißt also auch: Über 75 Prozent der Infektionen sagt die Grafik nichts aus.
Für die Kalenderwoche 43 etwa gibt das RKI in der Abbildung für knapp 11.000 gemeldete Neuinfektionen an, in welchem Umfeld diese passiert sind. In dem Zeitraum gab es aber rund 67.000 gemeldete Corona-Fälle, die Grafik sagt entsprechend über 56.000 Fälle nichts aus.
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Und sie bildet zwar ab, dass viele der zugeordneten Infektionen offenbar in privaten Haushalten, Wohnstätten und Alten- und Pflegeheimen passierten und vergleichsweise wenige in Restaurants, Hotels oder Verkehrsmitteln. Aber das RKI warnt selbst, dass diese Angaben „mit Zurückhaltung zu interpretieren“ sind. Denn die Zuordnung sei nicht immer eindeutig, manchmal spielten mehrere Situationen ein Rolle und diese ließen sich nicht immer voneinander abgrenzen. Zudem seien Infektionen in einigen Umfeldern – etwa im Bahnverkehr – schwieriger zu ermitteln, deshalb könnten diese untererfasst sein. Auf der anderen Seite ist es leicht, den Infektionsweg aufzuklären, wenn sich ein Familienmitglied beim anderen ansteckt. Solche Faktoren können die Statistik verzerren.
Wer sich jetzt fragt, ob es vor diesem Hintergrund richtig war, im November in Deutschland auch die Restaurants zu schließen: Unterm Strich wurde die Entscheidung gefällt, ohne genau zu wissen, wie oft Restaurants, Kneipen und Cafés zu Infektionsorten werden. Der jetzige Shutdown ist eine Maßnahme, durch die alle Menschen ihre Kontakte auf ein Minimum reduzieren sollen – egal ob diese etwa privat zu Hause, beim Auswärtsessen, beim gemeinsamen Sport in einer Halle, im Kino oder bei der Massage stattfinden.
Jeder Kontakt, der vermieden werden kann, sollte vermieden werden, solange man die Wege, die sich das Virus sucht, nicht ganz genau kennt. Die Geschäfte, die weiterhin geöffnet bleiben, sind, rein epidemiologisch betrachtet, ein Restrisiko.
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