Microneedling: Pieksen für mehr Schönheit?



Feine Stiche regen beim Microneedling die Selbsterneuerung der Haut an. Das kann das Hautbild verfeinern und sogar Falten oder Narben mindern. Wunder sollte man aber nicht erwarten

Eine Walze, gespickt mit hunderten feiner Nädelchen, rollt über das Gesicht, immer wieder und wieder. Was nach Folter klingt, hat in Wahrheit das Ziel, Falten verschwinden zu lassen und das Hautbild zu verjüngen. Hollywood-Schönheit Angelina Jolie soll darauf schwören, auch in Deutschland lassen sich immer mehr Frauen in Kosmetikstudios und Hautarztpraxen "nadeln." Denn hinter der pieksigen Behandlung steht ein sattes Versprechen: Die Nadelstiche sollen die Regenerationsfähigkeit der Haut anregen, die sich dadurch quasi selbst verjüngt.

"Grundsätzlich kann man sagen, dass Microneedling feinste Verletzungen auslöst, die die Haut als Wunden registriert", erklärt Professorin Martina Kerscher, die als Hautärztin und Kosmetikwissenschaftlerin an der Universität Hamburg unter anderem kosmetische Verfahren erforscht. "In der Haut werden dann verschiedene Botenstoffe und Wachstumsfaktoren ausgeschüttet, um die Wundheilung anzuregen." Dieser Vorgang kurbelt auch die Produktion von Kollagen, Elastin und Hyaluronsäure an – die Zutaten für eine straffe, elastische Haut.

Needling ist nicht gleich Needling

Allerdings: Wie effektiv diese Selbstverjüngung ist, hängt nicht zuletzt davon ab, wie tief die Nadeln in die Haut eindringen. "Beim rein kosmetischen Microneedling dringen die Nadeln lediglich 0,1 bis 0,3 Millimeter tief ein, reizen also nur die oberste Hautschicht, die Epidermis", sagt Dr. Soraya Wojtecki, Hautärztin mit einer Privatpraxis in Köln. "Das kann zwar auch die Kollagenproduktion anregen, aber nur in geringem Maße." In der dermatologischen Fachliteratur bestreitet mancher Experte diesen Effekt für das oberflächliche, kosmetische Needling sogar ganz.

Feine Knitterfältchen glätten

Eine rein kosmetische Anwendung kann entweder mit der Nadelwalze erfolgen, dem so genannten Dermaroller, oder mit einem Derma-Pen, einer Art vibrierendem Stift, an dessen Spitze feine Nädelchen sitzen. Die Preise für die Behandlung beginnen bei gut hundert Euro pro Sitzung, können aber auch deutlich höher liegen – je nach Methode und Behandler. "Wunder dürfen Sie vom kosmetischen Microneedling aber nicht erwarten", sagt Wojtecki, die selbst schon oft mit dem Needler behandelt hat. "Aber das Hautbild wird insgesamt frischer und rosiger und auch erste, feine Knitterfältchen lassen sich glätten." Nach Ansicht der Hautärztin eignet sich das kosmetische Microneedling vor allem, um die Haut vorzubereiten und durchlässiger zu machen, damit sie Cremes und Seren besser aufnehmen kann.

Kollagenproduktion und neue Hautzellen

"Richtig interessant wird es ab 0,5 Millimeter Tiefe, wenn die Nadeln auch die Dermis, die Lederhaut, erreichen", sagt Kerscher. "Dann lassen sich Lachfältchen oder Stirnfalten durchaus reduzieren." Gegen tief eingegrabene Nasolabialfalten, die Linien zwischen Nase und Lippe, oder gar erschlafftes, hängendes Gewebe ist aber auch tiefergehendes Needling weitgehend machtlos.

Beim medizinischen Microneedling dringen die feinen Nadeln sogar ein bis drei Millimeter tief in die Haut ein. Dann beobachten Dermatologen tatsächlich eine nennenswerte Kollagenproduktion. In geringem Umfang entstehen auch neue Hautzellen. Dadurch lassen sich etwa Aknenarben oder Dehnungsstreifen mildern. Sollen Verbrennungsnarben auf diese Weise behandelt werden, übernimmt unter Umständen die Krankenkasse die Kosten für die Behandlung. Anders als die Bezeichnung "medizinisches Microneedling" vermuten lässt, kommt diese Methode nicht nur in Hautarzpraxen, sondern auch in Kosmetikstudios zur Anwendung.

Von Pieksen bis Schmerz

Generell gilt: Wer Effekte sehen will, muss Geduld mitbringen, denn Kollagenaufbau und Hauterneuerung brauchen Zeit. "Für eine Faltenreduktion empfehlen wir sechs bis acht Anwendungen im Abstand von etwa zwei Wochen", sagt die Hamburger Kosmetikwissenschaftlerin Kerscher. "Drei bis sechs Monate später können Sie dann mit Verbesserungen rechnen."

Wie schmerzhaft das Verfahren empfunden wird, ist individuell verschieden – was manche nur als unangenehmes Pieken empfinden, tut anderen weh. Beim tiefergehenden sogenannten medizinischen Microneedling wird vor der Behandlung eine betäubende Creme aufgetragen. Hier kommt es – im Gegensatz zur oberflächlicheren Variante – auch zu Blutungen.

Vorsicht bei sehr trockener Haut

Direkt nach der Anwendung ist guter UV-Schutz angesagt. "Sonst müssen Sie damit rechnen, dass Sie zwar weniger Fältchen haben, aber dafür Pigmentflecken bekommen", warnt Wojtecki. Sie empfiehlt daher, eine Microneedling-Behandlung lieber im Herbst und Winter durchführen zu lassen. Für jede Art von Needling gilt außerdem, dass es nur bei gesunder, geschlossener Haut angewendet werden darf. Wer unter Wunden, Ekzemen, Schuppenflechte, aktiver Akne oder Herpesbläschen leidet, muss leider verzichten. Wundheilungsstörungen, etwa durch Diabetes, sind zumindest für ein medizinisches Needling problematisch. Auch Hautkrebs oder eine vorangegangene Chemo- oder Strahlentherapie sind Gegenanzeigen. Vorsicht ist zudem bei sehr trockener Haut und Neurodermitis geboten, ebenso bei empfindlicher Haut, die zu Rötungen durch Rosazea oder Couperose neigt.

Hygiene ist wichtig

"Eine eingehende Hautanalyse vor dem Microneedling ist daher Pflicht", sagt die Kölner Hautärztin. Ein weiteres  Qualitätsmerkmal, auf das Sie achten sollten, bevor Sie sich mit Nadelrolle oder Pen traktieren lassen, sind gute Hygienemaßnahmen – der Anwender sollte Mundschutz tragen, Haut und Geräte desinfiziert beziehungsweise Einmalgeräte verwendet werden. Sonst drohen Infektionen der Haut oder Abszesse. Ausserdem sollte man sich ausreichend Zeit für Sie nehmen. "Eine gute Microneedling-Behandlung dauert mindestens 30 bis 45 Minuten", so Wojtecki.

Vorab die Haut analysieren

Generell hat sie aber keine Bedenken, ein kosmetisches Microneedling im Kosmetikstudio anwenden zu lassen. Sogar eine vorsichtige Selbstbehandlung sei denkbar. Hier gilt ebenfalls: Auf gute Hygiene achten, also beispielsweise nicht das Gerät mit der Freundin teilen. Außerdem sollten Sie nicht zu viel Druck anwenden. Wenn es schmerzhaft ist, lieber sanfter rollen. Und schließlich ist es empfehlenswert, vorher eine gründliche Hautanalyse durchführen zu lassen und bei starken Hautreaktionen umgehend einen Hautarzt aufzusuchen. Wer sich unsicher ist, sollte sich daher lieber gleich in der Hautarztpraxis nadeln lassen, rät Wojtecki: "Dort kann man umgehend handeln, falls doch mal unerwünschte Hautreaktionen wie starke Schwellungen, Blutergüsse oder Ekzeme auftreten."

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