Corona-Weihnachten ohne Familie? So wird es trotzdem ein schönes Fest

Die Corona-Pandemie hat Menschen auf der ganzen Welt durch das Jahr begleitet, über Grenzen und Feiertage hinweg.

Nun stehen mit dem Weihnachtsfest die wohl beliebtesten Feiertage der Deutschen bevor.

Doch auch dieses Fest wird 2020 anders sein, genau wie die restlichen 362 Tage dieses völlig verrückten Jahres auch.

Es wird ein Corona-Weihnachten sein, mit neuen Regeln, im kleinen Kreis. Ganz anders, als viele Leute es sonst gewohnt sind.

„Die Traditionen und Rituale in der Weihnachtszeit haben eine psychologische Bedeutung. Sie sind identitätsstiftend, zugehörigkeitsstiftend. Gerade jetzt bei der gesellschaftlichen Unsicherheit in der Pandemie ist es eine zusätzliche Belastung, wenn das wegbricht“, erklärt Dr. Simona Maltese, Psychologische Psychotherapeutin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und im Leitungsteam von MHFA-Ersthelfer (Mental Health First Aid).

Wegen der Corona-Beschränkungen entscheiden sich viele bewusst dafür, nicht wie sonst mit der Familie oder engen Freunden zu feiern, um Großeltern oder andere Risikopatienten keinem zusätzlichen Infektionsrisiko auszusetzen.

Andere haben schlichtweg keine Möglichkeit, zu Verwandten oder Freunden zu fahren, weil sie sich in anderen Ländern befinden.

FIT FOR FUN hat mit drei von ihnen gesprochen: über ihr reduziertes, aber nicht unbedingt weniger schönes Weihnachtsfest.

„Man hat seine Familie ja so gern, aber es fühlt sich in diesem Fall besser an, auf Distanz zu sein.“

Judith Zemmrich kommt aus Sachsen, studiert aber in Hamburg. Normalerweise feiert sie das Weihnachtsfest mit Mutter und Bruder, dieses Jahr nicht.

Ihre Mutter ist Risikopatientin und nach einem belastenden Besuch im Sommer hat sie sich entschieden, über Weihnachten nicht in die Heimat zu fahren.

„Im Sommer waren die Zahlen noch deutlich besser als jetzt. Aber schon da hat es mich total belastet, immer an dieses unsichtbare Virus zu denken“, sagt Zemmrich.

„Es ist meine größte Angst, sie aus Versehen anstecken zu können und daran schuld zu sein, dass sie erkrankt.“

Selbst mit vorheriger Quarantäne müsste sie trotzdem mit dem Zug in die Heimat fahren und hat zudem eine Mitbewohnerin, die nicht einfach in Quarantäne kann. Dieses Risiko ist ihr zu groß.

„Man muss auf die Leute Rücksicht nehmen, zu denen man zurück kommt“

Anders ist die Situation bei Moritz Schimmele. Der Sales Manager aus Baden-Württemberg zog 2016 beruflich bedingt nach Chicago.

Durch die strengen Reisebeschränkungen der Vereinigten Staaten käme er zwar nach Deutschland. Mit seinem Arbeitsvisum wäre allerdings der Wiedereintritt in die USA nicht garantiert, wodurch er seine Aufenthaltserlaubnis und den Job verlieren könnte.

Die Flüge über Weihnachten hat er im Spätsommer gebucht, in der Hoffnung, die Situation würde sich bis dahin verbessern. Doch im Spätherbst musste er die Flüge wieder stornieren.

Seine Familie hatte das erwartet: „Meine Mutter ist natürlich traurig. Aber sie ist der Meinung, solange wir wissen, dass alle gesund sind und niemand alleine feiert, sind wir immer noch in einer guten Position. Und das sehe ich genauso.“

Trauriger als das Weihnachtsfest ohne Familie macht Moritz Schimmele die verpasste Hochzeit seines älteren Bruders, die im August ohne ihn stattfand: „Das hat mich schon beschäftigt, weil das natürlich ein Moment ist, den man eigentlich nur ein Mal im Leben mit seinem Bruder verbringen kann. Und den ich nicht mit ihm teilen konnte.“

„Es tröstet mich, dass es vielen Leuten so geht“

Auch Maria Sotiriou zog vor wenigen Monaten ins Ausland, allerdings ins deutsche Nachbarland Dänemark. Dort akquiriert sie neue Kunden für ein internationales Unternehmen.

Das Weihnachtsfest wollte sie ursprünglich mit der Familie verbringen – wegen ihrer Arbeitsstelle änderte sie ihre Pläne.

Dort arbeiten Menschen aus der ganzen Welt noch immer im Büro, viele kommen ursprünglich aus einem Risikogebiet wie Deutschland.

Um die übrigen Mitarbeiter nicht zu gefährden, empfahl das Unternehmen den Angestellten aus über 40 Ländern deshalb, nicht in die Heimat zu fahren.

Die leidenschaftliche Weltenbummlerin feierte Weihnachten schon einmal ohne die Familie in China. Doch war das für Sotiriou eine völlig andere Situation und einfacher als in diesem Jahr.

„Damals war klar: Über Weihnachten bei der Familie zu sein, ist nicht machbar, weil man am anderen Ende der Welt ist. In Asien ist Weihnachten auch ein anderes Thema, Heiligabend hat sich angefühlt wie jeder andere Tag“, so Maria Sotiriou.

„Aber hier ist das komisch, weil ich mir denke: Eigentlich bin ich so nah und hier kommt durch Lichter und Weihnachtsbäume auch Weihnachtsstimmung auf. Das macht es merkwürdig.“

Ein kleines Weihnachten mit neuen Gästen

Alle drei haben sich auf dieses neue Weihnachtsfest eingestellt und stehen den Feiertagen mal positiv, mal mit gemischten Gefühlen gegenüber.

Dabei kann die Tatsache, dass es vielen Menschen ähnlich geht, für ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl sorgen, ja sogar Trost sein.

„Wir alle schwanken in diesem Kontinuum hin und her: An manchen Tagen gelingt es uns, das Positive darin zu sehen und neue Wege zu gehen. Und an anderen Tagen macht es uns wieder traurig, dass die gewohnten Rituale, die wir so gerne mögen, dieses Jahr in der Form nicht durchführbar sind“, erklärt Psychotherapeutin Dr. Maltese.

Was hilft also an den schlechten Tagen? Wenn sich die Besinnlichkeit, die man neben dem voradventlichen Stress ja auch mit Weihnachten verbindet, einfach nicht einstellen mag?

5 Tipps für ein positives Weihnachtsfest

Schon mental stabilen Menschen verlangte dieses Jahr enorm viel Kraft ab, Menschen mit einer Vorbelastung wie beispielsweise einer psychischen Störung mutet Corona besonders viel zu.

Dr. Maltese verweist deshalb auf die Empfehlungen der Psychotherapeuten-Vereinigung und leitet daraus fünf Tipps ab. So kann man es trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen schaffen, in der Herausforderung ‚Corona-Weihnachten 2020‘ auch eine Chance zu sehen.

„Das erfordert aber immer Eigeninitiative, Kreativität und den Willen, dass man neue Dinge ausprobiert. Dass man nicht einfach stehen bleibt und resigniert, sondern dass man neue Wege gehen und dabei Überraschungen erleben möchte.“

1. Kreativ planen

Menschen haben gerne alles unter Kontrolle, das geht dieses Jahr nur mit einem Plan. Indem man beispielsweise versucht, einen Teil der Familie digital zu sehen und auch Risikopatienten in die Plänen mit einzubeziehen.

Im Falle der Großeltern ist es sinnvoll, bei digitalen Geräten so weit wie möglich Hilfestellung zu geben, und so zum Beispiel gemeinsam Plätzchen zu backen oder den Baum zu schmücken.

2. Emotionale Nähe herstellen

Man soll zwar den physischen Kontakt meiden, aber nicht den emotionalen. Das geht nur durch Kreativität: Sich gegenseitig Briefe oder Weihnachtskarten zu schreiben, kleine Päckchen mit Plätzchen an liebe Menschen zu schicken, regelmäßig anzurufen. 

​“Gerade im Umfeld sollten man schauen: Wer ist durch diese Umstände besonders belastet? Dann kann man sich überlegen, wie man dieser Person eine Freude machen und sie unterstützen kann. Dadurch schauen wir nicht immer nur auf uns selbst, und es löst ja auch positive Gefühle aus, wenn man jemand Anderen unterstützen kann“, erklärt Dr. Maltese.

3. Genuss für sich selbst schaffen

Die Corona-Zeit kann auch positive Seitenhaben. Für viele bedeutet Weihnachten normalerweise Stress, weil man von Termin zu Termin hetzt.

Viele dieser Termine fallen dieses Jahr weg, diese Zeit sollte man nutzen und bewusst Zeit für sich selbst schaffen, die man mit schönen Aktivitäten verbringt.

Dazu gehört auch, sich kleine Freiräume in der Kinderbetreuung zu schaffen und sich dazu wenn möglich mit dem oder der Partnerin oder festen Bekannten absprechen.

4. Konzept der radikalen Akzeptanz

Eine Situation wirklich zu akzeptieren, klingt häufig einfacher, als es am Ende ist. Radikale Akzeptanz bedeute nicht, dass man alles einfach so hinnehmen müsse und nicht traurig oder wütend sein dürfe, stellt Dr. Maltese klar.

Vielmehr gehe es um die bewusste Entscheidung, Dinge die man nicht beeinflussen könne, zu akzeptieren: „Wenn ich mich bewusst dafür entscheide, habe ich auch wieder die Möglichkeit, Veränderungspotential zu sehen. Dann habe ich auch wieder die Fähigkeit, etwas durch mein Handeln zu beeinflussen und mich nicht mehr hilflos ausgeliefert zu fühlen.“

5. Blick in die Zukunft

Zukunftsprojektion bedeutet Vorfreude – die Kraft, aus positiven Erinnerungen zu schöpfen und sich darauf zu konzentrieren, dass die geliebten Rituale zurückkommen werden.

„Ich kann mich auf die Zukunft freuen. Eines Tages werden wir Weihnachten wieder so feiern, wie wir es eigentlich gerne mögen: dicht zusammen, bei gutem Essen – eben so, wie ich es sonst gewöhnt bin.“

Das könne gerade in grauen Stunden sehr helfen, so Dr. Maltese.

Oh du Fröhliche, Online-Gottesdienste und Gulaschsuppe

Kreativ gehen auch Judith Zemmrich, Maria Sotiriou und Moritz Schimmele das diesjährige Weihnachtsfest an.

Judith Zemmrich kompensiert die wegfallende, alljährliche Christmette mit einem Online-Gottesdienst.

„Der schönste Moment an Weihnachten ist für mich, wenn nach dem Gottesdienst ‚Oh du Fröhliche‘ gesungen wird. Das berührt mich total, deshalb wäre es schön, das online zu hören.“

In den Vereinigten Staaten werde Heiligabend sowieso anders gefeiert, sagt Moritz Schimmele.

Doch auch dorthin bringt er eine deutsche Tradition mit, wenn er mit seiner amerikanischen Freundin und dem deutschen Mitbewohner feiert. „An Heiligabend werden wir wie bei Schimmeles zu Hause die traditionelle Gulaschsuppe kochen und gemütlich zusammen den Abend verbringen.“

In Dänemark feiert Maria Sotiriou mit ihrem Partner und freut sich über die neue Solidarität, die durch das veränderte Weihnachtsfest entstanden ist. 

„Ich wurde von einer Kollegin eingeladen, die nicht wollte, dass ich Heiligabend vielleicht alleine verbringen muss. So führt die Situation schon zu einem stärkeren Zusammenhalt, weil jeder durch diese Zeit geht.“

Mirjam Bittner

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