Corona

Im Twitterkanal von Donald Trump war die Welt einfach: Er war immer der Größte. Wer ihm widersprach, verbreitete Fake News. Zwischentöne? Fehlanzeige. Verwirren bloß die Fans.

Taucht man in den offiziellen Twitterkanal des russischen Impfstoffs Sputnik V ein, erinnert einiges an den, nennen wir es mal: prägnanten, Stil des früheren US-Präsidenten.

Denn da erfindet die brasilianische Zulassungsbehörde Anvisa »Fake News« über Sputnik. Die EU-Medien verschweigen Todesfälle nach RNA-Impfungen. Dahinter steckt – tadaaa – »Big Pharma«, die Druck auf diese Medien ausübt. Und selbstverständlich ist Sputnik der effektivste Covid-Impfstoff der Welt! Superlativ oder supermies.

Dass Pharma-PR, also auch der Sputnik-Account, keine objektive Information darstellt, überrascht hoffentlich niemanden. Und dass das eigene Produkt gelobt wird, auch klar. Aber Sputnik tut mehr, weil er die Konkurrenz bewusst schlechtmacht. Und zwar mit Beiträgen, die man eher von langjährigen Impfkritikern und -kritikerinnen erwarten würde als von einem Impfstoffhersteller.

Beispielsweise dieses Tableau:

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Viel mehr Todesfälle nach Pfizer/Biontech-Impfungen als nach AstraZeneca! Schock! Wer bisher nur ein mulmiges Gefühl ob der Nebenwirkungen von AstraZeneca bekam, soll sich jetzt bitte richtig vor Biontech fürchten, so die offensichtliche Botschaft.

Im etwas kleiner Gedruckten steht, ganz richtig, dass bislang kein klarer Zusammenhang zwischen den Todesfällen und den Impfungen gefunden sei. Aber auch das muss ja der Angst keinen Abbruch tun, denn er wurde lediglich bislang nicht gefunden. Die Impfstoffe bringen uns um, und keiner redet drüber, Big Pharma, Sie wissen schon!

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Was die Grafik unter anderem nicht verrät: das durchschnittliche Alter der Geimpften. In Deutschland beispielsweise war der RNA-Impfstoff von Biontech und Pfizer ab dem 26. Dezember zunächst als einziger Impfstoff verfügbar, Mitte Januar kam Moderna dazu, Anfang Februar AstraZeneca. Zu Beginn der Impfkampagne wurden als erstes Menschen geimpft, die in Pflegeheimen wohnen, also die Hochbetagten, oft auch Vorerkrankten. Die ersten AstraZeneca-Dosen erhielten dagegen im Februar nur Menschen unter 65 Jahren, die aus beruflichen Gründen geimpft wurden, weil der Impfstoff zunächst nur ihnen empfohlen wurde.

Wenn Sie eine Gruppe von hochbetagten Menschen impfen und eine Gruppe Berufstätiger – erwarten Sie dann im folgenden Monat gleich viele Todesfälle in beiden Gruppen? Sicher nicht.

Ein weiteres Beispiel:

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Was steckt dahinter? Eine Gruppe der Universität Oxford veröffentlichte kürzlich eine Studie, in der der sie das Auftreten spezieller Blutgerinnsel nach einer RNA-Impfung und einer Coronainfektion verglichen. Das Team ging auch auf Daten zur AstraZeneca-Impfung ein, wies aber darauf hin, dass diese nicht mit denen von RNA-Impfungen vergleichbar seien. Denn die ersten beiden Datensätze stammten aus elektronischen Patientenakten, die letztere Zahl aus den Meldungen bei der EU-Behörde Ema. Die Daten zu RNA-Impfungen und AstraZeneca waren aus diesem Grund schlicht nicht vergleichbar (Details dazu hier), auch wenn die Pressemitteilung der Universität leider diesen Eindruck erwecken konnte.

In der ersten Version der vorveröffentlichten Studie fand sich die Grafik, die Sputnik sofort verbreitete. Während in der Studie die Linie für AstraZeneca heller eingefärbt war, um gleich zu zeigen, dass hier etwas nicht direkt vergleichbar war, hielt sich die PR-Abteilung von Sputnik mit so einem Detail natürlich nicht auf. Das Bild passte so schön in die Erzählung von den gefährlichen RNA-Impfstoffen. Sputnik V dagegen ist ein Vektorimpfstoff.

Auch als die brasilianische Zulassungsbehörde Anvisa Sputnik V Anfang der Woche ablehnte, war die Reaktion trumpesk: Zuerst hießt es, das seien »Fake News«, nun wollen die Sputnik-Hersteller die Anvisa sogar wegen Verleumdung verklagen.

Das geht zu weit? Eigentlich geht es noch gar nicht weit genug auf dem Weg zum trumpschen Twittern über Impfstoffe. Warum die Konkurrenz nicht mit bösen Spitznamen bedenken? Statt »Sleepy Joe« dann eben »Nasty Pfizer« oder »Killer Vaccines«. Das wäre jedenfalls kurioser, als mit schlecht zusammengetragenen Zahlen Angst vorm Impfen zu schüren.

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