Zwischen 0,3 und 2,9 Prozent: Warum die Corona-Sterberate so schwierig zu ermitteln ist
Wenn Epidemiologen wissen, wie wahrscheinlich es ist, an einer Krankheit zu sterben, hilft ihnen das vorherzusagen, wie schlimm eine Pandemie verläuft. Sobald eine Erkrankung neu auftritt, ist diese Zahl mit großen Unsicherheiten behaftet. Was wir bis jetzt wissen.
Vor mehr als zwei Monaten ist das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 erstmals auf den Menschen übergesprungen. Seitdem hat es sich massiv in China ausgebreitet und ist mittlerweile auch in mehr als drei Dutzend anderen Ländern weltweit aufgetreten.
2800 Menschen, die sich infiziert hatten, sind in dieser Zeit gestorben, wie eine Echtzeitkarte der Erkrankungszahlen zeigt. Vollständig erholt haben sich hingegen bereits über 32.000 der mehr als 82.000 Infizierten weltweit (Stand: 27.2.). Und obwohl diese Zahlen bekannt sind, ist es immer noch schwer, eine konkrete Aussage über die Letalität zu treffen, also die Wahrscheinlichkeit durch den Erreger zu sterben. Denn es bestehen zu Anfang einer Epidemie eine Reihe von Unsicherheiten.
Je höher die Letalität, auch Case Fatality Rate genannt, desto schwerwiegender ist die Erkrankung. Zum Vergleich: Die Schweinegrippe 2009 hatte eine geschätzte Letalität von 0,01 Prozent, also einem Verstorbenen auf 10.000 Infizierte. Die Sterberate der Grippe liegt bei etwa 0,1 bis 0,2 Prozent. Bei Sars gehen Experten von einer Letalitätsrate von 11 Prozent aus, bei Mers sogar von mehr als 30 Prozent.
Warum gibt es bezogen auf die Sterblichkeitsrate Ungewissheit?
Man könnte die Wahrscheinlichkeit, dass Infizierte an Sars-CoV-2 sterben, einfach berechnen, indem man die Anteil der bisher bekannten Todesfälle an den bisher bekannten infizierten Personen ermittelt. Doch dieses Verfahren ist zu einem frühen Zeitpunkt nach dem Ausbruch einer Erkrankung ungenau.
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Zum einen ist nicht bekannt, ob tatsächlich alle mit Sars-CoV-2 infizierten Personen bereits identifiziert wurden. Wenn eine Infektion mild oder ganz ohne Symptome verläuft, bleiben viele Fälle unentdeckt. Im Falle des neuartigen Coronavirus ist das nicht unwahrscheinlich, denn eine Untersuchung des chinesischen Centers for Disease Control and Prevention (CCDC) kommt zu dem Schluss, dass 80 Prozent der Erkrankungen mild verlaufen. Die Letalität der Erkrankung würde in diesem Fall überschätzt.
Zum anderen könnte die Rate auch unterschätzt werden, würden Todesfälle aufgrund der Erkrankung nicht identifiziert. Das ist bei Covid-19, der durch Sars-CoV-2 ausgelösten Lungenerkrankung, allerdings unwahrscheinlich, da die internationale Aufmerksamkeit schon früh hoch war.
Auch sind viele Infizierte noch nicht wieder gesund. Wie die Erkrankung weiter verläuft, ist noch unklar. Sollte in Zukunft die Zahl der mit Sars-CoV-2 Infizierten sinken, die Zahl der Todesfälle aber steigen, könnte sich die Letalitätsrate auch dadurch noch nach oben korrigieren.
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Wie hoch schätzen Experten die Sterberate derzeit ein?
In der obengenannten Untersuchung des CCDC nehmen Experten an, dass etwa 23 von 1000 Infizierten (2,3 Prozent) an den Folgen der Corona-Erkrankung sterben. Würde lediglich die besonders betroffene Provinz Hubei betrachtet, ergebe sich eine Letalität von 2,9 Prozent, außerhalb davon in China die geringere Rate von 0,4 Prozent.
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Die WHO berichtet, dass derzeit etwa 2 Prozent der an Covid-19-Erkrankten gestorben sind. Allerdings hat die Organisation unter Einbezug der oben beschriebenen Unsicherheiten die Letalitätsrate auch geschätzt. Dabei kommt sie in einem kürzlich veröffentlichten Bericht zu dem Schluss, dass etwa 0,3 bis 1 Prozent der Erkrankten, also 3 bis 10 von 1000 Infizierten, an Covid-19 sterben. In einer Pressekonferenz der WHO am 25.2. gab Bruce Aylward, der Vorsitzende einer joint Mission zur Untersuchung der Situation in China, an, dass in Hubei die Letalitätsrate bei 2 bis 4 Prozent liege, für andere Regionen bei 0,7 Prozent.
Welche Faktoren wirken sich auf die Letalität eines Erregers aus?
Darüber, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, an einem Erreger zu sterben, entscheiden auch folgende Faktoren:
- der Zustand des Gesundheitssystems, in dem der Erreger auftritt
- die Grundimmunisierung der Bevölkerung
- sozioökonomische Faktoren
- Mutationen im Virus-Erbgut
Zustand des Gesundheitssystems
Kommt es zu einer Epidemie sind auch die Kapazitäten eines Gesundheitssystems entscheidend. Da Covid-19-Patienten meist an Komplikationen wie Lungenentzündungen, Atemnot oder Sepsis sterben, kann ein Gesundheitssystem, das etwa gut mit Beatmungsmaschinen auf Intensivstationen ausgerüstet ist, Patienten besser versorgen und so vermutlich mehr Todesfälle verhindern.
Beim Verdacht auf das Coronavirus Sars-CoV-2 wird der Erreger in der Regel mit einem molekularbiologischen Test nachgewiesen. Der Arzt nimmt eine Probe aus den Atemwegen – entweder einen Abstrich oder ausgehusteten Schleim. Spezialisten bereiten diese Probe dann im Labor auf und suchen mit einem sogenannten PCR-Test nach dem Erbmaterial des Virus.
Dabei wird ein bestimmter Abschnitt des Viren-Erbguts millionenfach kopiert. Die Kopien werden mit einer sogenannten Sonde farblich markiert. Diese Farbmarkierung kann dann mit komplexen Geräten sichtbar gemacht werden. Sind entsprechende Farbsignale vorhanden, handelt es sich um eine „positive Probe“.
Unter idealen Bedingungen dauert ein solcher Test im spezialisierten Labor 3-5 Stunden.
In der Hubei-Provinz in China kamen schnell sehr viele Infizierte zusammen. Das könnte erklären, warum die Sterberate dort höher ist als an anderen Orten weltweit.
Grundimmunisierung der Bevölkerung
Wenn das Immunsystem ähnliche Erreger kennt, kann bereits ein Immunschutz bestehen. In China treten jedoch verschiedene Coronaviren auf, die Menschen infizieren, unter anderem Sars-CoV. Bislang ist jedoch nicht bekannt, dass es eine Grundimmunisierung gegen Coronaviren gibt.
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