Was passiert eigentlich, wenn nie ein Impfstoff gegen Covid-19 gefunden wird?

Die ganze Welt befindet sich im Würgegriff des Coronavirus. Und alle Welt setzt große Hoffnungen in eine baldige Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19. Doch was passiert, wenn nie einer gefunden wird? Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte.

Dr. David Nabarro weiß: "Es gibt Viren, gegen die wir bis heute keinen Impfstoff gefunden haben." Und weiter sagt er gegenüber "CNN": "Wir können uns nicht sicher sein, dass es überhaupt einen Impfstoff gegen Covid-19 geben wird – und wenn es einen geben wird, ob er alle Tests auf Wirksamkeit und Sicherheit überstehen wird." Dr. David Nabarro ist hauptberuflich Professor für globale Gesundheit am Imperial College in London. Nebenberuflich zerstört er mit seinen Aussagen Träume.

Die ganze Welt träumt aktuell von einem Impfstoff gegen das Coronavirus. Dutzende Labore forschen, es gibt erste Tests am Menschen, ein Durchbruch scheint nur eine Frage der Zeit. Auch Politiker in Deutschland und dem Rest der Welt beschwören den heiligen Gral für die Rückkehr ins gewohnte Leben. Mediziner und Politiker prognostizieren einen Impfstoff in sechs Monaten, in einem Jahr, in anderthalb Jahren. Sicher kann sich niemand sein.

Denn die Wahrheit ist: Es gibt keine Garantie für einen Impfstoff. Häufig scheitern erfolgsversprechende Unternehmungen kurz vor Schluss, häufig zerplatzen in der medizinischen Forschung Impfstoff-Träume wie Seifenblasen – vor allem in den Testphasen.

Ein paar Beispiele:

  • Seit fast vier Jahrzehnten suchen Wissenschaftler einen Impfstoff gegen Aids. Erfolglos.
  • 400.000 Menschen infizieren sich laut "CNN" jedes Jahr mit dem Dengue-Fieber. Seit langem wird an einem Impfstoff geforscht – ohne Erfolg.
  • Auch gegen Rhinoviren oder Adenoviren – die genauso wie Coronaviren häufig Erkältungssymptome verursachen – ist es sehr schwierig, einen Impfstoff zu finden. Es gibt laut "CNN" überhaupt nur zwei Impfstoffe gegen Adenoviren.

Das führt zwangsläufig zur Frage: Was passiert eigentlich, wenn nie ein Impfstoff gefunden wird?

Eigentlich gibt es dafür nur zwei Szenarien: Ein Medikament oder ein Leben mit dem Virus, das sich so rasant verbreitet und für manche tödlich ist.

Medikament gegen das Coronavirus

Das Beispiel Aids zeigt: Was früher ein Todesurteil für Erkrankte war, ist heute eine Krankheit, mit der Menschen dank der Forschung ein fast normales Leben führen können. Auch für Covid-19 gibt es bereits erste vielversprechende Erkenntnisse. So zeigte eine US-Studie positive Wirkungen des Ebola-Mittels Remdesivir. Das Medikament erhielt jüngst eine Eilzulassung in den USA, um dort Patienten in Kliniken damit zu behandeln. In der EU könnte laut einem Medienbericht "in wenigen Tagen" eine Zulassung erteilt werden. Auch Blutplasmabehandlungen sind unter anderem im Rennen. Doch noch ist nicht klar, was wirklich wann und wem hilft.

Keith Neal, ein ehemaliger Professor für Epidemiologie an der Universität Nottingham, prüft Studien für wissenschaftliche Veröffentlichungen. Er sagt zum Thema gegenüber "CNN": "Die Forscher haben die besten Medikamente ausgewählt, um daran weiter zu arbeiten." Doch die Studien, die er auf dem Tisch liegen habe, müsse er alle zurückweisen. "Sie sind nicht richtig gemacht." Erst jetzt habe man seriöse Studien angestoßen. Ergebnisse werde es "in den nächsten Wochen" geben.

Viel wichtiger ist jedoch zu verstehen, welche Effekte ein breit einsetzbares Medikament hätte:

Aber:

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Leben mit dem Coronavirus

Somit wird klar: Wenn es keinen Impfstoff gibt, wird es so oder so ein Leben mit dem Virus geben müssen. Keith Neal sagt: Einen Lockdown kann es wegen der Schäden nicht ewig geben. "Wir müssen das Virus anders kontrollieren." David Nabarro sagt: "Es ist sehr wichtig für alle Gesellschaften, sich in eine Position zu bringen, wo sie mit dem Virus als ständiger Gefahr umgehen können. Soziales Leben und wirtschaftliche Aktivität muss mit dem Virus in unserer Mitte möglich sein."

Doch was würde das konkret bedeuten?

Einen neuen "sozialen Vertrag" bringt Nabarro ins Spiel. Einen "kollektiven Pakt fürs Überleben und Gutgehen" im Angesicht des Virus. Und er definiert, was das für ihn heißt.

  • Ein breites System aus Tests auf Covid-19 und Nachverfolgung der Infektionsketten müsste implementiert und auch beibehalten werden
  • Menschen sollten sich selbst isolieren, sobald sie bei sich Symptome feststellen.
  • Mit einem Husten gehen wir nicht mehr zur Arbeit, sondern arbeiten aus dem Home Office. Zumindest für Büroangestellte wird Home Office Normalität.
  • Menschen, die sich verantwortungsvoll verhalten sollten wie "Helden" statt wie "Ausgestoßene" behandelt werden.

 

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Der amerikanische Tropenmediziner Dr. Peter Hotez erklärt gegenüber "CNN", was das für unseren Alltag bedeuten würde. "Wir bräuchten ein Gesundheitssystem, das vieles ermöglicht, u.a.: Kontaktnachverfolgung, Diagnose am Arbeitsplatz, Frühwarnsysteme für Social Distancing." Das sei kompliziert und noch nie zuvor umgesetzt worden. "Wenn es dann nur wenig Übertragung des Virus gibt, könnten auch wieder große Veranstaltungen stattfinden. Aber nicht dauerhaft und unter ständiger Kontrolle von Politik und Gesundheitsbehörden."

Es könnte also geschehen, was viele befürchten: ein ständiges Zu-und-Auf. Fans dürften für einige Wochen vielleicht unter Einhaltung von Regeln ins Stadion. Und würden dann wieder ausgeschlossen, sobald die Infektionen steigen. Dasselbe gelte für Bars und Restaurants – vor allem im Winter.

David Nabarro sagt: "Die Lockdowns, die aktuell weltweit gelockert werden, könnten jederzeit wiederkommen. Immer wieder käme es zu Krankheitsausbrüchen und alles würde wieder zurückgefahren. Das kann ganze Länder betreffen oder auch nur einzelne Gegenden."

Das wäre die Realität ohne eine Impfung.

Rotaviren-Impfstoff-Erfinder: "Es wird einen Impfstoff geben"

Einen Mutmacher allerdings gibt es. Auch wenn das Rennen um einen Impfstoff unvorhersehbar ist. Paul Offit, ein Spezialist für Infektionskrankheiten und einer der Erfinder des Impfstoffs gegen das Rotavirus sagt gegenüber "CNN": "Ich glaube, es wird einen Impfstoff geben. Es wird viel Geld investiert, es liegt im Interesse aller und das Ziel ist klar.

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