Vier Gruppen sollten ihren Impfschutz jetzt auffrischen – egal, wie alt sie sind!
Damit die Corona-Zahlen nicht weiter explodieren, raten Wissenschaft und Politik vor allem älteren Menschen zur Auffrischung ihres Impfschutzes. Doch auch jenseits des Alters gibt es Risikofaktoren, die für eine Booster-Dosis sprechen. Wir erklären, welche das sind – und warum alle anderen erstmal keine weitere Impfung brauchen.
Angesichts steigender Corona-Zahlen in Deutschland rücken Auffrischungsimpfungen als Schutz für den Winter zusehends in den Blick. Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rief am Donnerstag zu einer solchen Verstärkung (Booster) länger zurückliegender Impfungen auf – zumal viele bisher Nicht-Geimpfte anscheinend kaum noch dafür zu gewinnen seien.
Laut einer Umfrage im Auftrag des Ministeriums wollen sich fast neun von zehn Nicht-Geimpften auch in den kommenden acht Wochen eher nicht impfen lassen. Kliniken warnten vor weiter zunehmenden Belastungen.
Nachfrage nach Booster-Impfungen steigt
Mit erstmals mehr als 100.000 Auffrischungsimpfungen wurde am Mittwoch ein Tagesrekord erzielt, wie Spahn erläuterte. Laut Robert Koch-Institut (RKI) gab es an diesem Tag bundesweit 102.400 davon – sowie daneben 43.700 Erstimpfungen und 77.800 Zweitimpfungen. Insgesamt haben nun gut 1,8 Millionen Menschen eine Impf-Verstärkung erhalten.
Empfohlen wird sie vor allem Menschen, die älter sind als 70 Jahre. Ihr Impfschutz fällt in der Regel von vorherein schlechter aus als der von jungen und gesunden Menschen. Zudem ist ihre Impfung in der Regel bereits mehr als ein halbes Jahr her, weil sie in der ersten Priorisierungsgruppe zu Beginn der Jahres geimpft worden sind.
Es gibt jedoch auch Faktoren, die für eine Booster-Impfung noch vor dem Winter sprechen, die nichts mit dem Alter zu tun haben. Dazu zählen
- eine Immunschwäche
- eine Tätigkeit im medizinischen Bereich mit engem Patientenkontakt, etwa in der Klinik
- eine Tätigkeit in einer Pflegeeinrichtung sowie
- eine vorherige Impfung mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson.
Johnson & Johnson-Geimpften empfiehlt die Stiko eine Auffrischungsimpfung mit einem mRNA-Impfstoff ab vier Wochen nach ihrer Erstimpfung. Sie gelten als deutlich wirksamer als der Vektorimpfstoff. Den Schutz nach der Einmalimpfung mit dem Johnson & Johnson-Impfstoff hatte die Stiko zuletzt als „ungenügend“ bezeichnet.
Möglich ist eine Booster-Impfung grundsätzlich für jeden – sofern mindestens sechs Monate seit der zweiten Impfung vergangen sind. Termine gibt es wie für Erst- und Zweitimpfung beim Hausarzt oder auch bei vielen Fachärzten.
Was für und gegen die Booster-Impfung für alle spricht
Für notwendig halten die meisten Experten die Auffrischungsimpfung für die breite Mehrheit bisher jedoch nicht. Für den Charité-Wissenschaftler Leif-Erik Sander würde die Ausweitung angesichts der nach oben schießenden Corona-Zahlen zwar Sinn machen: "Allen impfbereiten Menschen eine dritte Impfung ein halbes Jahr nach der Zweitimpfung anzubieten, hätte auch einen dämpfenden Effekt auf die Virusverbreitung in der Bevölkerung." Die Drittimpfung könne die Immunität wieder deutlich verbessern.
Er fordert deshalb eine sechs bis acht Wochen lange große Kampagne wie zu Beginn des Jahres, mit Impfzentren und mobilen Impfteams. Sander berief sich auch auf Erfahrungen Israels, wo man sich aus der vergangenen Welle "herausgeboostert" habe.
Und auch Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie und Mediziner am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der Technischen Universität Dortmund, betonte im Gespräch mit FOCUS Online den Nutzen der Booster-Dosis: „Die dritte Impfung sehe ich gar nicht als Auffrischungsimpfung, sondern als Teil eines normalen Impfschemas.“ Er könne sich vorstellen, dass die Grundimmunisierung gegen Corona künftig aus drei Impfungen bestehe. „Immunologisch ist das sinnvoll, weil sich die Immunantwort jedes Mal verbessert, wenn der Körper sich mit dem Erreger beziehungsweise der Impfung auseinandersetzt.“ Die Immunantwort wird stärker.
Eine Gefahr, des „Überimpfens sehe ich generell nicht“, sagte Watzl, dafür müsste schon sechs oder sieben Mal hintereinander in kurzem Abstand geimpft werden. Zudem gebe es keine Studie, die zeige, dass eine dritte Impfung zu mehr Nebenwirkungen führe.
Streeck: Besser Impflücken bei Ü60ern schließen
Gegner einer Ausweitung von Auffrischimpfungen, zu denen derzeit auch der Bonner Virologe Hendrik Streeck zählt, argumentieren hingegen mit der weltweiten Knappheit an Impfstoffen. Andere Länder benötigten die Dosen dringender.
Hinzu kommt: Der Immunschutz der meisten jüngeren und gesunde Menschen ist bereits sehr gut. Außerdem würde das Gesundheitssystem eher entlastet, wenn Impflücken bei Menschen über 60 Jahren geschlossen werden – und weniger mit Drittimpfungen bei Mittzwanzigern, erklärt Streeck.
Aus der Fachwelt ist zudem eine weitere Sorge zu hören: Könnte das Vertrauen in die Impfstoffe leiden, wenn man jetzt breit zum Auffrischen aufriefe? Gleichzeitig ist klar: Eine solche Empfehlung müsste zeitig kommen, nicht erst auf dem Höhepunkt der vierten Welle.
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