Titandioxid: Nicht einatmen – und auch nicht schlucken?
Wer in letzter Zeit die Medien aufmerksam verfolgt hat, dem dürfte als Apothekenmitarbeiter eine relativ aufgeregte Diskussion der Chemieindustrie um Titandioxid aufgefallen sein. Zum Einsatz kommt Titandioxid nicht nur in Farben, Lacken, Putz oder Mörtel, es handelt sich auch um einen weit verbreiteten Hilfsstoff in Tabletten oder auch Sonnencreme. EU-weit soll der Stoff in Pulverform künftig einen Warnhinweis tragen, dass er krebserregend ist, wenn er eingeatmet wird. Frankreich will Titandioxid ab 2020 in Lebensmitteln nicht mehr in Form von Nanopartikeln zulassen. Diese Entwicklungen dürften auch die pharmazeutische Industrie beschäftigen.
Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am Donnerstag meldete, soll der sehr weit verbreitete Farbstoff Titandioxid in Pulverform nach dem Willen der EU-Kommission künftig einen Warnhinweis tragen. Die Festlegung habe die Brüsseler Behörde nach letzten Gesprächen mit den EU-Staaten und Interessenvertretern getroffen. Die formale Entscheidung solle im Oktober fallen, hieß es. Danach folgen aber noch mindestens 20 Monate Vorlauf, bis die neue Pflicht gilt.
Titandioxid wird unter anderem zur Herstellung von Farben, Lacken, Putz oder Mörtel verwendet. Die EU-Kommission folgt einer Beurteilung der europäischen Chemikalienagentur ECHA von 2017, wonach der Stoff in Pulverform krebserregend ist, wenn er eingeatmet wird. Ein Kommissionssprecher stellte klar, dass Titandioxid nicht verboten wird, sondern künftig einen Hinweis auf die Krebsgefahr tragen muss.
Kein Verbot aber ähnliche Konsequenzen?
Der Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie warnte allerdings, nach der neuen Einstufung könnte die Nutzung in Deckmal-Farbkästen und Straßenmalkreiden für Kinder womöglich ausgeschlossen werden. „Wir haben nicht den Eindruck, dass die Kommission weiß, welche Auswirkungen ihr neuer Vorschlag hat. Es braucht daher unbedingt eine Abschätzung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen, wie sie eigentlich für Maßnahmen mit derart erheblichen Folgen vorgesehen ist”, erläuterte Dr. Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer des Verbands der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie e.V. (VdL) in der entsprechenden Mitteilung.
Aus Sicht der Apotheken wäre beispielsweise interessant, ob auch Sonnencremes zum Aufsprühen, die so eingeatmet werden können, einen entsprechenden Warnhinweise tragen müssten.
Auch der Verband der Chemischen Industrie (VCI) kritisiert die Pläne der EU-Kommission als überzogen und zweifelt an der wissenschaftlichen Grundlage. Die ausschlaggebende Studie sei mehr als 20 Jahre alt, und dabei hätten Ratten über einen sehr langen Zeitraum staubförmiges Titandioxid einatmen müssen. Zudem begründete Gerd Romanowski, VCI-Geschäftsführer Technik und Umwelt, den Vorschlag der Branche in der Mitteilung so: „Die EU-Kommission sollte im Sinne des Binnenmarktes einen Europa-einheitlichen Arbeitsplatzgrenzwert für schwer lösliche Stäube festlegen, statt einen wissenschaftlich nicht fundierten Präzedenzfall zu schaffen.“ Nach Auffassung des VCI handelt es sich nicht um eine stoffspezifische Wirkung des Weißpigments, sondern um eine allgemeine Wirkung von Stäuben auf die Lunge.
Unabhängig von der Nutzung in Lacken, Farben und Baumaterialien läuft auf EU-Ebene auch eine Debatte über Titandioxid in Lebensmitteln. Der weiße Farbstoff kommt zum Beispiel in Kaugummis, Zahnpasta oder Mozzarella vor, schreibt die dpa weiter: Hier geht es nicht um Gefahren durch Einatmen, sondern die mögliche Aufnahme von Nanopartikeln im Körper. Frankreich will Titandioxid ab 2020 in Lebensmitteln nicht mehr zulassen. Eine einheitliche Haltung der EU gibt es aber noch nicht.
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