Superspreader sind Corona-Hauptgefahr – jetzt fordert Drosten Cluster-Doppelschlag

Eine neue Studie zeigt, dass Superspreader für die meisten Ansteckungen verantwortlich sind. Um diese aufzuspüren, um Ausbrüche frühzeitig im Keim zu ersticken, fordert Virologe Drosten Kontakttagebücher. Die Erfolge der Cluster-Verfolgung zeigen sich etwa in Japan.

Die meisten Sars-CoV-2-Infektionen erfolgen durch Superspreader. Das bestätigt eine neue, im Fachmagazin „Science“ veröffentlichte Studie zu Kontaktuntersuchungen in Indien. Dabei handelt es sich um die bisher größte Analyse zur Verfolgung von Kontaktpersonen.

Zehntausende von Mitarbeitern spürten in zwei Bundesstaaten die Kontaktpersonen von Infizierten auf und befragten sie über einen Zeitraum von zwei Wochen täglich nach Symptomen.

Epidemiologen der Universität Berkely analysierten daraufhin die Daten von 575.071 Kontaktpersonen der 84.965 bestätigten Sars-CoV-2-Fälle.

Die Wissenschaftler machten dabei sogenannte Superspreader als Hauptüberträger des Virus aus. Während 70 der Infizierten keinen einzigen ihrer Kontakte ansteckten, waren acht Prozent der Index-Personen für 60 Prozent der beobachteten Neuinfektionen verantwortlich.

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Hongkong-Studie: 69 Prozent stecken niemanden an

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine im Fachblatt „Nature“ veröffentlichte Studie aus Hongkong, auf die sich auch Virologe Christian Drosten stützte. Demnach waren 19 Prozent der Fälle für 80 Prozent der Infizierungen verantwortlich. 69 Prozent steckten gar keine, die übrigen nur sehr wenige Personen an.

Wissenschaftler geben mithilfe des Dispersionsfaktor k an, wie oft Häufungen von Infizierungen auftreten. Je niedriger dieser Wert, desto weniger Personen übertragen das Virus.

Nach der Sars-Pandemie von 2003/2003 errechnete Lloyd-Smith mit Kollegen einen k-Wert von 0,16; bei MERS, das 2012 folgt, war es 0,25. Das deutet darauf hin, dass die Erreger nur von wenigen einzelnen Personen, also Superspreadern ausgingen. Diese ungleiche Verteilung bezeichnen Wissenschaftler als Überdispersion.  

Im Falle der Hongkong-Studie errechneten die Wissenschaftler eine Dispersionsfaktor von 0,45. Damit ist der Wert zwar relativ niedrig – nicht jedoch niedrig genug, damit die Virusverbreitung und die Zahl der Neuinfektionen von allein wieder abnehmen.

Überdispersion hilft dabei, Virus einzudämmen

Dennoch liefert er die Chance, mit gezielter Kontaktverfolgung und Clusterbildung Infektionsketten zu stoppen. Charité-Virologe Christian Drosten sprach sich deshalb bereits im August für eine verstärkte Cluster-Verfolgung aus. Am Mittwoch twitterte er zudem „#CoronaWarnApp in Kombination mit #Clustertagebuch ist der Bringer. Wenn möglichst viele mitmachen“.

 

In einem Gastbeitrag der Zeit erklärte Drosten, „jeder Bürger sollte in diesem Winter ein Kontakttagebuch führen“. Durch die Fokussierung auf die Infektionsquelle werde ein neu diagnostizierter Patient nämlich zum Anzeiger eines unerkannten Quellclusters, das in der Zwischenzeit gewachsen sei. „Die Mitglieder eines Quellclusters müssen sofort in die Heimisolierung“, so Drosten.

Viele davon könnten hochinfektiös sein, ohne es zu wissen. Für Tests fehle dann die Zeit. Im NDR-Podcast empfahl der Virologe stattdessen, eine fünftägig „Mischung aus Isolierung und Quarantäne“ als „Abklingzeit für diese Cluster“. 

Als Beispiele für Quellcluster nennt er etwa ein Großraumbüro oder eine Fußballmannschaft. Und: „Auch eine Schulklasse kann ein Cluster sein“, betont der Virologe im Zeit-Beitrag. Darauf müsse man besonders im Herbst gefasst sein. Da es besonders unter jüngeren Schülern nur einen geringen Anteil symptomatischer Fälle gebe, könne jeder Fall eines symptomatischen Schülers ein Quellcluster anzeigen.

Japan als Vorbild für Clusterverfolgung

Als Vorbild für diese Strategie nennt der Virologe Japan. Anstatt viel und ungezielt zu testen, habe man dort früh darauf gesetzt, Übertragungscluster zu unterbinden. „Dazu hat das Land offizielle Listen von typischen sozialen Situationen erstellt, in denen Übertragungscluster entstehen, und sie öffentlich bekannt gemacht“, führt Drosten aus. Daraufhin hätten die Gesundheitsbehörden in der Kontakthistorie eines erkannten Falls gezielt nach bekannten Clusterrisiken gesucht.

Die japanische Strategie zeigte Erfolg – immerhin gelang es dem Land die erste Welle im April ohne das Verhängen eines strengen Lockdowns zu beherrschen. Auch wenn das Land im August einen erneuten Infektionsanstieg erlebte, gilt diese Methode laut Drosten als vielversprechend, um auch hierzulande einen zweiten Lockdown zu vermeiden. Der Ansatz könne etwa dabei helfen, Schulen länger offen zu halten, weil man nur einzelne Klassen und nicht gleich die ganze Einrichtung schließen müsse.

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