Meldeketten-Mängel: Warum jeden Montag die Corona-Zahlen einbrechen
Hoch und wieder herunter – eine gerade Linie ergibt sich nicht, wenn man die täglichen Meldezahlen des RKI auf einem Graphen aufträgt. Aber sie zeigt Trends auf. Auffällig ist dabei allerdings eine wöchentlich wiederkehrende Delle.
Täglich meldet das Robert-Koch-Institut (RKI) die offiziell bekannten Corona-Neuinfektionen. Trends lassen sich aus den Zahlen gut erkennen. So ist zum Beispiel ersichtlich, dass sie seit einigen Wochen wieder ansteigen. Auffällig ist allerdings auch eine Delle, die jede Woche wieder auftritt.
Wer einen Blick auf die Daten des RKI und der Gesundheitbehörden wirft, erkennt zudem immer wieder Abweichungen. Wie kommen diese zustande – und wie aussagekräftig sind diese Zahlen für sich genommen eigentlich überhaupt? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
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Wie kommt es zur wöchentlichen Delle?
Zum Sonntag sinken die vom RKI gemeldeten Zahlen zu Neuinfektionen regelmäßig und erreichen dann montags zuverlässig ihren Tiefpunkt.
So meldete das Robert-Koch-Institut etwa am 5.10., vergangenen Montagmorgen, in seinem täglich erscheinenden Lagebericht 1382 neue Corona-Fälle. Am 4.10. waren es noch 2279, am 3.10. sogar 2563. Und schon am Dienstag, den 6.10., schnellten die Zahlen wieder in die Höhe (2639 Fälle). Am Donnerstag (8.10.) erreichten sie sogar einen neuen Rekord von 4058.
Ein ähnlicher Knick zeigt sich kontinuierlich in den Wochen zuvor, etwa in der vergangenen:
- Samstag, 27.9.: 2507 gemeldete Neuinfektionen
- Sonntag, 28.9.: 1410
- Montag, 29.9.: 1192
- Dienstag, 30.9.: 2098
Vor zwei Wochen:
- Samstag, 19.9.: 2297 gemeldete Neuinfektionen
- Sonntag, 20.9.:1345
- Montag, 21.9.: 922
- Dienstag, 22.9.: 1821;
So sieht das Bild wöchentlich aus. Von dienstags bis samstags steigen die Zahlen in der Regel wieder.
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Auch in dieser Woche ist eine Delle zu erwarten. Am Samstag meldete das RKI in seinem Lagebericht vom 10.10. noch 4721 Neuinfektionen. Am gestrigen Sonntag sank die Zahl der Neuinfektionen auf 3483, und am heutigen Montagmorgen meldete das Institut 2.467 Neuinfektionen (Stand: 12.10., 00.00 Uhr).Diese Zahlen beziehen sich natürlich immer auf den vorherigen Meldetag.
Dass dieser Knick immer sonntags und montags eintritt, liegt daher unter anderem am Meldeverfahren.
Wie funktioniert das Meldeverfahren?
Bis eine positive Infektion in den Zahlen des Robert-Koch-Instituts auftaucht, müssen bereits mehrere Schritte vorher geschehen:
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Ein Grund für den wöchentlichen Knick kann daher darin liegen, dass einige, vor allem kleinere Gesundheitsämter, an Samstagen und Sonntagen nicht besetzt sind und somit keine Daten an die Gesundheitsbehörde und wiederum an das RKI übermitteln. Zudem melden teilweise Gesundheitsbehörden die Daten zu unterschiedlichen Zeiten und an Wochenenden erst am kommenden Tag. Das kann sich – durch den Meldeverzug des Verfahrens – in den vom RKI aufgeführten Meldezahlen von Sonntag und Montag niederschlagen.
Eine Meldelücke sieht das RKI darin allerdings nicht, wie es auf Anfrage von „Welt“ heißt. Stattdessen bezieht sich das Institut auf das Infektionsschutzgesetz, welches besagt, dass eine Krankheitsmeldung spätestens am folgenden Arbeitstag an die Landesbehörde und von dort spätestens am folgenden Arbeitstag an das RKI erfolgen müsse.
Trotzdem erklärte das RKI der „Welt“, dass nahezu alle Behörden in der Corona-Zeit auch am Wochenende übermitteln würden. Gründe für die Delle sieht es deshalb vor allem darin, dass am Wochenende weniger Menschen zum Arzt gehen und es so weniger Labortests gebe.
Zudem arbeiten der „Welt“-Recherche zufolge Labore an Wochenenden teils nicht oder haben weniger Mitarbeiter zur Verfügung. Aufgrund der fehlenden Qualifikation sei es allerdings schwer, vorübergehend mehr Labor-Personal einzustellen. In den Gesundheitsämtern könnten Aushilfskräfte aufgrund fehlender Software-Kenntnisse ebenfalls nur bedingt helfen. Falls es zudem einer Nachrecherche bedürfe, um fehlende Daten der Infizierten zu ermitteln, müsse die Arztpraxis kontaktiert werden, wie es in dem Bericht weiter heißt. Ärzte haben jedoch am Wochenende ebenfalls häufig geschlossen.
Warum gibt es Abweichungen in den Zahlen je nach Quelle?
Ein Blick auf die Zahlen des RKI zeigt darüber hinaus immer wieder Abweichungen gegenüber Fallzahlen anderer Quellen – etwa der täglich gemeldeten Zahlen der Gesundheitsbehörden. Solche Abweichungen können durch den Zeitverzug zustande kommen.
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Durch den oben geschilderten, aufwendigen Meldeweg kann vom Zeitpunkt des Bekanntwerdens eines Falls bis zur Veröffentlichung durch das RKI ein solcher Zeitverzug entstehen, wie das Institut selbst schreibt: „Zwischen der Meldung durch die Ärzte und Labore an das Gesundheitsamt und der Übermittlung der Fälle an die zuständigen Landesbehörden und das RKI können einige Tage vergehen (Melde- und Übermittlungsverzug).“
Sind die gemeldeten Neuinfektionen alleine ausreichend aussagekräftig?
Die Meldezahlen allein zeigen nicht, wie viele Menschen in Deutschland zu einem bestimmten Zeitpunkt wirklich neu erkrankt sind. Sie stellen lediglich dar, wie viele Menschen bis zu einem bestimmten Datum positiv getestet und ans RKI gemeldet wurden.
„Ganz allgemein gilt (…), dass nicht alle infizierten Personen Symptome entwickeln, nicht alle, die Symptome entwickeln, suchen eine Arztpraxis auf, nicht alle, die zum Arzt gehen, werden getestet und nicht alle, die positiv getestet werden, werden auch in einem Erhebungssystem erfasst“, erläutert das RKI. Es ist daher immer von einer Dunkelziffer auszugehen.
Zudem kann es unterschiedlich lange dauern, bis jemand nach einer Corona-Infektion getestet wird und eine Diagnose bekommt. Es kann also sein, dass zwei Neuinfektionen am selben Tag gemeldet werden, der Beginn der einen Infektion aber weiter zurückliegt als der der anderen. Diese Ungenauigkeit versucht das RKI etwa mithilfe des Nowcastings auszugleichen. Denn das Corona-Infektionsgeschehen ist komplex. Eine einzige Zahl, wie etwa die der gemeldeten Neuinfektionen, beziffert es nicht ausreichend.
"Es gibt eine Reihe von Zahlen, die alle von uns berücksichtigt werden", erklärt RKI-Präsident Lothar Wieler. Er spricht dabei unter anderem auch von den Inzidenzen und dem R-Faktor.
Die 7-Tages-Inzidenz gibt an, wie viele von 100.000 Personen sich in einer bestimmten Region im Verlauf einer Woche infiziert haben. Der Wert ermöglicht es, das Infektionsgeschehen verschiedener Landkreise besser miteinander zu vergleichen. Als entscheidende Ziffer gilt hier 50: Übersteigt die 7-Tages-Inzidenz diesen Wert, gilt die Lage in diesem Landkreis als kritisch und die Stadt sollte Maßnahmen ergreifen.
Im Verlauf der Pandemie hatten einzelne Bundesländer wie auch Bayern den Wert auf 35 oder 30 heruntergesetzt und als Frühwarnsystem eingesetzt, um bereits bei diesem Wert stufenweise Lockerungen zurückzufahren.
- Mehr zu den Corona-Messungen, wie R-Wert, Nowcast oder Neuinfektionen lesen Sie hier.
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