Husten, Schnupfen, Heiserkeit – Die Apotheken der Wildtiere
Ob Reh, Biber, Hase, Elster oder Eichelhäher. Auch Wildtiere nutzen die Heilkräfte der Natur. Hätten Sie gewusst, wie Weidenrinde, Wilde Möhre, Gras und Rainfarn den Tieren beim Erhalt ihrer Gesundheit helfen?
Im Herbst husten und schniefen auch die Hasen. „Dann ist das Futter knapp, und das nass-kalte Wetter hat ihr Immunsystem geschwächt“, weiß der Sprecher des Schleswig-Holsteinischen Landesjagdverbands, Marcus Börner. Im Gegensatz zum Menschen haben Hasen jedoch keine Apotheke, um sich Hustensaft und Nasenspray zu besorgen. „Wildtiere haben da ganz andere Heilmittel auf Lager – sie nutzen die Natur, um Krankheiten vorzubeugen und um gesund zu bleiben“, erklärt Jenifer Calvi von der Deutschen Wildtierstiftung (DWS).
Allerdings: „Die romantische Vorstellung einer Hasenapotheke – der Hase brauche etwa 25 Wildkräuter, um gesund zu sein – trifft leider auf die Realität nicht zu“, schränkt DWS-Biologe Andreas Kinser ein. Der hustende Hase mit Schniefnase im Herbst zeige dann zwar Symptome, die oft einer menschlichen Erkältung ähneln. Von menschlichen „Grippeviren“ kann ein Hase jedoch nicht angesteckt werden. „Meister Lampe“ hat eigene Krankheiten, erklärt Kinser.
Trotzdem kurieren sich viele Wildtiere mit Heilmitteln aus der Natur. So fressen Biber „liebend gerne Weidenrinde, denn in dieser ist Salicylsäure enthalten“, erläutert Calvi. Sie wird im Biberfettgewebe angereichert und wirkt antientzündlich.
Mit Beifuß oder Rainfarn gegen Wurmbefall
„Wiederkäuer wie zum Beispiel Rehe fressen bei starkem Wurmbefall vermehrt Beifuß oder Rainfarn“, erklärt DWS-Artenschützer Moritz Franz-Gerstein. In beiden potenziell giftigen Pflanzen seien heilsame Wirkstoffe gegen Würmer enthalten. „Rainfarn ist auch beim Menschen als Wurmmittel bekannt, heißt regional Wurmkraut“, ergänzt der Tierarzt. Apotheker wissen aber: Rainfarn (Chrysanthemum vulgare) steht auf der Liste der bedenklichen Rezepturarzneimittel. Rainfarnkraut, Rainfarnblüten, Rainfarnöl
- zum Einnehmen
- ausgenommen Homöopathika
sind demnach aufgrund des enthaltenen Thujons stark neurotoxisch und eine Wirksamkeit ist als Arzneimittel nicht belegt (Quelle: Negativmonographie: BAnz Nr. 122 vom 6. Juli 1988).
Während Bitterer Beifuß (Wermutkraut, Absinthii herba) auch beim Menschen bei leichten dyspeptischen Beschwerden zur Anwendung kommen kann, sollte er nicht mit dem gewöhnlichen Beifuß (Beifußkraut, Artemisiae herba) verwechselt werden. Von der Kommission E liegt zu letzterem eine Negativmonographie vor – die Wirksamkeit sei nicht ausreichend belegt, es bestehen Risiken wie Allergien und eine abortive Wirkung. (Quelle: Wichtl – Teedrogen und Phytopharmaka)
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Manche Vögel wie Elster und Eichelhäher nutzen Ameisensäure, um Milben loszuwerden – ein Trick, den auch Imker zur Milbenbekämpfung im Bienenstock kennen. Europäische Stare hingegen vertreiben die lästigen Milben mit der wilden Möhre. Das darin enthaltene Beta-Sitosterol vergrämt laut dpa (Deutsche Presse-Agentur) die Plagegeister aus ihren Nestern.
Auch die in der Küche als lästig empfundene kleine Obstfliege nutzt spezielle Wirkstoffe für sich: Wenn sie die Wahl hat zwischen vergorenem und unvergorenem Obst, wählt sie das vergorene Obst, um dort die Eier abzulegen, sagt Franz-Gerstein. „Denn vergorenes Obst enthält Ethanol, und das ist ein wirksamer Schutz gegen einige parasitische Wespenarten, die den Nachwuchs der Obstfliege befallen.“
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