Geschlossen gegen Lieferengpässe

Arzneimittellieferengpässe treten global in Ländern mit verschiedenen Einkommensstufen und Gesundheitssystemen sowohl bei lebensnotwendigen, alltäglichen, kostengünstigen als auch hochpreisigen Arzneimitteln auf. Die International Pharmaceutical Federation (FIP) veröffentlichte nun weltweit gültige, evidenzbasierte Handlungsempfehlungen, um Engpässen entgegenzutreten.

„Die Folgen von Arzneimittellieferengpässen sind schwer, multidimensional und unvorhersehbar. Im Kontext komplexer globaler Lieferketten wächst die Besorgnis unter allen Interessengruppen über die Zukunft der weltweiten Arzneimittelversorgung. Es gilt als bewiesen, dass sich Lieferengpässe mit der Zeit verschlimmern und immer neue Schwierigkeiten für die Mitarbeiter der Gesundheitssysteme und Kompromisse für die Patientensicherheit nach sich ziehen.“ Dies erklärte Lars-Åke Söderlung, Vorsitzender des FIP-Komitees für Arzneimittellieferengpässe in einer Pressemitteilung zum Hintergrund des „FIP Statement of policy on medicines shortages“.

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In dem Dokument gibt die internationale Organisation auf wissenschaftlichen Erkenntnissen fußende Handlungsempfehlungen, um geschlossen gegen Arzneimittellieferengpässe vorzugehen. Die Erklärung richtet sich an die Regierungen aller Länder sowie an Beteiligte auf allen Versorgungs- und Produktionsebenen von Arzneimitteln. Sie wurde während des Kongresses „FIP Virtual 2020“ am 13. September 2020 veröffentlicht. Dieser internationale Kongress findet zwischen dem 4. und dem 25. September erstmals online statt.

Um gezielt gegen Lieferengpässe vorzugehen, müssten nach der International Pharmaceutical Federation zunächst einheitliche Definitionen festgelegt werden, um eine Mangelversorgung früh zu identifizieren und vergleichbare Daten erheben zu können. Zudem müsste global eine Liste mit kritischen Produkten erstellt werden. Informationen zu Arzneimittellieferengpässen sollten die Regierungen in allen Ländern öffentlich zugänglich machen. Pharmazeuten, die Arzneimittellieferengpässe kompensieren müssen, sollten mehr Anerkennung und Befugnisse erhalten. Die Regierungen sollten dazu Vorschläge erarbeiten, um Apothekerinnen und Apothekern ein weitreichenderes Handeln zu ermöglichen.

Transparenz fördern

Außerdem betonen die Autoren der Handlungsempfehlungen, dass die Wege der Arzneimittelbeschaffung so ausgewählt werden sollten, dass eine kontinuierliche Versorgung mit qualitativ hochwertigen Arzneimitteln flächendeckend sichergestellt werden kann. Dazu müssten der Austausch und die Transparenz zwischen Arzneimittelhändlern und -herstellern gefördert und Fragen zur Nachhaltigkeit geklärt werden. Außerdem müsse bei Handelsverträgen sowie der Preisgestaltung von Arzneimitteln Verantwortung gezeigt werden. Die Regierungen einzelner Länder sollten unnötige Abweichungen in den jeweiligen Rechtsvorschriften, die die Koordination behindern, beseitigen.

Hierzulande dürfte unter anderem der letzte Punkt bei der Bundesregierung umstritten sein. Zwar sollen Firmen in ihren globalen Lieferketten durch ein geplantes Sorgfaltspflichtengesetz zu mehr Transparenz verpflichtet werden. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warnt jedoch vor „Schnellschüssen“ und bewirkt seit Monaten, dass diesbezügliche Verhandlungen im Bundestag verschoben werden. Zudem kritisierte der Branchenverband Pro Generika beim Inkrafttreten des „Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ am 16. August 2019, dass die umstrittene Importförderklausel nicht wie erhofft abgeschafft wurde. Der Reimportmarkt gilt als Quelle für Arzneimittelfälschungen und verursacht in anderen Ländern Versorgungslücken. In der Vergangenheit hatte sich Altmaier wiederholt für den Importeur Kohlpharma, einen der umsatzstärksten Firmen seines Wahlkreises, eingesetzt.

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