Volksfest ohne Grillwurst? Streit in Würzburg befeuert deutsche Fleisch-Debatte
Rouladen, Schnitzel, Schinken – oder doch lieber Tofu, Quinoa und Mehlwürmer? Wenn es um die „richtige“ Ernährung geht, kochen die Emotionen hoch. Dabei geht es nicht nur um Tierwohl, Gesundheit und Umweltschutz. Es geht auch um politisch korrektes Verhalten.
Im fränkischen Würzburg tobte zuletzt ein skurriler Streit. Bei einem traditionellen Volksfest, zu dem jedes Jahr mehr als 10.000 Besucher strömen, sollte es dieses Jahr erstmals weder Bratwurst, Steak noch Fisch geben, sondern nur vegetarische Kost!
Allein die Ankündigung reichte, um einen Sturm der Entrüstung zu entfesseln. Der CSU-Fraktionschef im Stadtrat, Wolfgang Roth, polterte, man dürfe Menschen, „nicht zwingen“, nur noch Salat zu futtern. Die Grünen und andere Veggie-Fans erklärten daraufhin, man folge nur gesellschaftlichen Trends. Außerdem sei Fleischverzicht gut fürs Klima.
Keine Bratwurst mehr auf Volksfesten? Fleischfans fassungslos
Der Wurst-Zoff von Würzburg ist mehr als eine regionale Posse. Er steht symbolhaft für das gespaltene Verhältnis der Deutschen zum Fleisch – und für einen ideologisch aufgeladenen Streit um die Frage, ob der Verzehr von Tieren noch zeitgemäß, sprich: politisch korrekt, ist.
Schon vor mehr als zehn Jahren, als die Grünen nach einem bundesweit „Veggie-Day“ riefen, also einen fleischlosen Tag in der Woche, geißelten CDU und FDP die „grüne Umerziehung“ und verwahrten sich gegen die Bevormundung der Bürger sogar bei den Speiseplänen.
Bis heute stehen sich viele Befürworter und Kritiker von Fleisch nahezu unversöhnlich gegenüber, ähnlich wie beim Streit um Atomkraft, Gendern oder das Heizen. Veganer erwecken gern den Eindruck, sie seien Fleischessern „moralisch überlegen“, weiß Ernährungspsychologe Christoph Klotter. Fleischesser wiederrum fühlen sich genervt vom „Missionierungseifer“ vieler Pflanzenesser.
Rindersteaks auf Holzkohlegrill – so schlimm wie Dieselautos?
Ein Paradebeispiel für diesen Missionierungseifer liefert gerade wieder ein Professor für erneuerbare Energien aus Berlin. Auf YouTube macht er gegen Holzkohlegrills Stimmung und ruft zum Fleischverzicht auf. Ein Grillabend mit Rindersteak und glimmender Holzkohle, warnt er, verursache „so viel Treibhausgas wie 120 Kilometer Diesel-Autofahren“.
Der Vergleich lässt aufhorchen.
Dieselfahrverbote hat die Politik bereits erlassen, das komplette Aus für solche Autos beschlossen. Kommt als Nächstes das Verbot, mit Holzkohle und Gas (ebenfalls umweltschädlich) zu grillen? Steht Fleisch schon bald auf dem Index und dessen Verzehr unter Strafe, damit Deutschland seine CO2-Ziele erreicht? Es würde einen zumindest nicht wundern.
Fakt ist: Fleisch genießt einen schlechten Ruf: Schlecht für die Umwelt. Schlecht für die Tiere. Schlecht für die Gesundheit.
Aber stimmt das überhaupt? So pauschal, wie Fleischkritiker gern behaupten?
Die Antwort lautet: Nein!
Pauschale Verdammung von Fleisch ist unangebracht
Fleisch, jedenfalls gutes Fleisch, ist gesund. Es gibt den Menschen seit mehr als zwei Millionen Jahren Energie und Kraft. Es enthält sehr gut verwertbares Eiweiß, Eisen und Vitamin B12 sowie Mineralstoffe. Fleisch ist also grundsätzlich ein hochwertiges Nahrungsmittel.
Entscheidend jedoch ist: Es schmeckt fantastisch! Wer je ein unterarmdickes, 28 Tage am Knochen gereiftes Stück Rind vom Grill gezogen, tranchiert und in geselliger Runde verspeist hat, weiß, wovon die Rede ist.
Ich habe nichts gegen Veganer. Auch nichts gegen Vegetarier. Im Gegenteil. Je mehr es von ihnen gibt, desto weniger Tiere landen auf dem Teller. Gut so! Ich liebe Tiere!
Trotzdem esse ich gern Fleisch. Ich stamme aus Thüringen, wo die beste Rostbratwurst der Welt herkommt.
Grillen nur mit Gemüse – für mich undenkbar! Ein Besuch in Paris ohne Tartare de boeuf – ein schlechter Witz! New York ohne Porterhouse Steak – um Gottes Willen! Ein Abendessen beim Griechen ohne Lammkeule – nur über meine Leiche!
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder befand unlängst: „Ein Leben ohne Bratwürste ist theoretisch möglich, aber sinnlos.“ Auch wenn viele ihm widersprechen mögen, ich tue es in diesem Punkt nicht.
Methoden der Industrie zum Teil inakzeptabel und ekelhaft
Natürlich gibt es gute Argumente gegen Fleischkonsum.
Allen voran die schlechten Bedingungen in vielen Betrieben der industriellen Massenproduktion, wo Tiere im Eiltempo und mit zum Teil verbrecherischen Methoden auf Schlachtgewicht gemästet werden.
Oft genug erleiden Hühner, Puten, Schweine und Rinder unvorstellbare Qualen, nur um am Ende als medikamentenverseuchte Nahrung auf unseren Tellern zu landen. Ekelhaft!
Und auch die Methoden mancher Wurst- und Fleischfabrikanten, die ihre Waren mit gesundheitsschädlichen Zusatzstoffen oder minderwertigen Produktionsresten vollpumpen, um ihren Profit zu maximieren, gehören an den Pranger.
Lieber weniger Fleisch essen, aber dafür qualitativ besseres
Aber es geht auch anders.
Nicht nur die Verbraucher wählen ihr Fleisch viel bewusster aus als noch vor einigen Jahren und kaufen nach der Devise: Lieber weniger Fleisch essen, aber dafür qualitativ besseres. So sank 2022 der durchschnittliche Fleischkonsum eines Deutschen auf 52 Kilogramm, 12 Kilogramm weniger als 1991.
Auch unter Tierhaltern und Fleischherstellern wächst die Einsicht, dass man sich umstellen muss, um am Markt bestehen zu können: größere Ställe, besseres Futter, weniger Chemie, keine langen Tiertransporte, stressfreie Schlachtungen, saubere Verarbeitung und transparente Informationen für die Verbraucher.
Mittlerweile ist jedem klar: Die Qualität auf dem Teller hängt unmittelbar mit der Art der Tierhaltung zusammen.
Noch nie gab es so gutes Fleisch wie heute – ob in Restaurants, beim Metzger oder sogar im Supermarkt. Auch große Handelsketten bieten Steaks in Premium- und Bioqualität an – gutes Fleisch, für das man ein bisschen mehr zahlen muss, aber das man gesund und ohne Reue genießen kann.
Erbsen und Würmer: Firmen basteln an Fleisch-Alternativen
Die Begeisterung für Fleisch gerade in Deutschland ist nach wie vor hoch, auch wenn es seit Jahren einen gegenläufigen Trend gibt. Der Markt für pflanzliche Ernährung boomt, in ganz Deutschland öffneten vegetarische und vegane Restaurants. Weltweit versuchen sich Unternehmen an Fleischersatz-Produkten. Doch durchschlagende Markterfolge lassen auf sich warten.
Das US-Unternehmen Beyond Meat etwa produziert pflanzenbasiertes Fleisch, das laut Werbung „genauso saftig schmeckt wie traditionelles Fleisch“. Es besteht vorwiegend aus Erbsen, braunem Reis, Kokosfett und rote Beete.
Obwohl die Herstellung eines Beyond Burgers im Vergleich zum Rindfleisch-Burger wesentlich klimaschonender ist, dringt die Firma selbst bei Öko-Fans nur schwer durch, was sich auch in der wirtschaftlichen Bilanz niederschlägt. Der Aktienkurs von Beyond Meat sackte von 162 Euro im Oktober 2022 auf jetzt 9,90 Euro.
Auch deutsche Ketten, die rein vegane Burger anbieten, kämpfen ums Überleben. Einige Läden mussten kurz nach dem Start Insolvenz anmelden.
Der neueste Schrei sind Lebensmittel aus Mehlwürmern, Grillen, Heuschrecken und Schimmelkäferlarven. Die Insektenprodukte gelten als alternative Proteinquelle zu Fleisch oder Fisch. Währen der Verzehr von Insekten in Asien, Lateinamerika und Afrika längst üblich ist, zögern die Deutschen.
Käfer und Würmer als Snack für zwischendurch oder auf dem Grill? Für viele eine befremdliche Vorstellung. Dann doch lieber ein gut abgehangenes Stück vom Rind oder eine Bratwurst, gern auch mit Salat.
FOCUS-online-Schwerpunkt: Genuss ohne Reue und Ideologie
Die Grillzeit hat begonnen – und damit auch die Fleischsaison. Grund genug für FOCUS online, sich in einem Schwerpunkt der Frage zu widmen, woran man gutes Fleisch erkennt und was man beim Fleischkauf beachten sollte. Unsere Leser können sich diese Woche auf viele spannende Artikel und Videos freuen – mit zum Teil überraschenden Ergebnissen.
Wir haben mit Fleischsommelier Dirk Ludwig über das beste Steak Deutschlands gefachsimpelt und eine vegane Metzgerei in Dresden besucht. Spitzenkoch Andreas Krolik aus dem Frankfurter 2-Sterne-Lokal „Lafleur“ führte uns ein in die Geheimnisse der veganen High-End-Küche. Natürlich haben wir auch einen Insektenburger probiert.
Ein Lebensmittelkontrolleur verriet uns, mit welchen Tricks heute Billigfleisch produziert wird. Ein Jäger erklärte, warum Reh- und Hirschfleisch nicht nur gut schmeckt, sondern auch in puncto Nachhaltigkeit, Regionalität und Tierwohl unschlagbar ist. Außerdem sind wir der Frage nachgegangen, welche Lösungen es bereits jetzt gibt, um Tiere artgerechter zu halten, Emissionen zu begrenzen und die Natur besser zu schützen.
Der Wurst-Streit von Würzburg wurde übrigens in letzter Minute beigelegt. Nach massivem Widerstand gegen Pläne, beim Hafensommer-Fest nur fleischlose Kost anzubieten, lenkte die Stadt ein. Nun gibt es auch eine regionale Biobratwurst.
Geht doch.
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