Keiner will Johnson & Johnson? Das Problem ist nicht die Impfstoff-Qualität
Mehrere Hunderttausend Dosen des Corona-Impfstoffs von Johnson & Johnson liegen im Moment in Deutschland ungenutzt herum. In Anbetracht des nach wie vor herrschenden Impfstoffmangels wirft das allerdings Fragen auf. Ein Blick auf die Impfstrategie der Länder gibt Aufschluss.
Es ist paradox: Während Millionen Deutsche ungeduldig auf ihren Home-Office-Stühlen umherrutschen und auf einen baldigen Impftermin hoffen, haben hierzulande Hunderttausende Dosen des Impfstoffs von Johnson & Johnson schon seit Wochen keinen Kühlschrank mehr von außen gesehen, liegen faktisch ungenutzt in Kühllagern herum.
Die Wahrscheinlichkeit der baldigen Nutzung: gering. Denn das Vakzin des amerikanischen Herstellers hat sich zu einem regelrechten Ladenhüter entwickelt.
Impfstoff von Johnson & Johnson wird trotz Impfmangel zum Ladenhüter
Von den 424.800 Dosen, die bis zum 26. Mai geliefert wurden, sind laut einem internen Bericht des Bundesgesundheitsministeriums lediglich 35 Prozent verimpft worden. Ein mickriger Prozentsatz im Vergleich zu der Quote der Impfstoffe von Astrazeneca, Biontech und Moderna, die sich auf jeweils 90 Prozent beläuft.
Im Hinblick auf das vereinfachte Impfprozedere – Johnson & Johnson muss zur vollständigen Immunisierung nur einmal verabreicht werden – sowie den nach wie vor andauernden Impfmangel wirft das lahmende Verimpfen Fragen auf. Und diese können nicht mit medizinischen Zweifeln beantwortet werden. ./Johnson & Johnson/AP/dpa
Zwar wurde die Nutzung des Vakzins in den USA aufgrund von Blutgerinnseln, die in sehr seltenen Fällen nach der Impfung auftraten, vorübergehend ausgesetzt. Eine erhöhte Gefahr durch Nebenwirkungen konnte jedoch final nicht festgestellt werden.
Zudem können sich trotz der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, den Wirkstoff favorisiert an Personen über 60 Jahren zu verimpfen, nach wie vor auch jüngere Menschen im Anschluss an eine ärztliche Beratung mit Johnson & Johnson immunisieren lassen.
Jens Spahn: Meldesystem bei mobilen Impfteams ist verzögert
Es muss also andere Gründe für den Ladenhüter-Status geben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) versuchte sich vor vier Wochen an einer Erklärung, nachdem die „Welt“ darüber berichtet hatte, dass sogar 96 Prozent der Impfstoffdosen ungenutzt gelagert wurden. Das Melden von erfolgten Impfungen bei Johnson & Johnson laufe verzögert ab, erklärte Spahn damals. Das liege daran, dass primär mobile Teams den Wirkstoff verimpfen würden. Auch einige Bundesländer führten das als Begründung für ihre unterdurchschnittlichen Impfquoten an.
Mittlerweile hat das teils stürmische Impftempo einiger weiterer Bundesländer große Unterschiede zwischen den Ländern freigelegt – wodurch die mobilen Impfteams nicht mehr als alleinige Erklärung glauben.
So haben Bremen und Niedersachsen bis zum 26. Mai 77 Prozent ihrer Johnson & Johnson-Lieferungen verimpft, während Thüringen und das Saarland lediglich eine Quote von sieben respektive acht Prozent verzeichnen können. Rheinland-Pfalz macht im Ländervergleich die Tür zu: Hier sind nur vier Prozent aller Johnson & Johnson- Dosen verabreicht worden.
Johnson & Johnson wurde bisher vor allem an Obdachlose und Flüchtlinge verimpft
Beim Blick auf die Länder und ihre Impfstrategien offenbart sich dennoch des Rätsels Lösung. Denn der Wirkstoff von Johnson & Johnson wird bislang vorrangig an Personen verimpft, bei denen sich die Organisation einer Zweitimpfung schwierig gestaltet. Dazu zählen beispielsweise Obdachlose, Flüchtlinge, Gefängnis-Insassen oder Bewohnerinnen von Frauenhäusern, die keinen festen Wohnsitz haben oder Deutsch nicht als Muttersprache sprechen. Das erklärt auch, warum vor allem mobile Impfteams auf Johnson & Johnson setzen – denn die sind in der Regel in eher prekären Milieus unterwegs. Jonas Güttler/dpa Ein Arzt spritzt einem Geflüchteten den Covid-19-Impfstoff von Janssen (Johnson & Johnson) in einer Essener Übergangswohneinrichtung für Geflüchtete in den Arm
Absehbare organisatorische Probleme bremsen Impfkampagne aus
Wegen schlechter Vorbereitung gerät die Impfkampagne in diesen Einrichtungen jedoch oftmals ins Stocken. Das liegt unter anderem an dem erhöhten Beratungsbedarf, der auf Empfehlung der Stiko mit der Verimpfung des Wirkstoffes an Unter-60-Jährige einhergeht.
Dass auf Grund sprachlicher Barrieren an einigen Stellen zusätzlich Dolmetscher und mehrsprachige Hilfsmittel bereitgestellt werden müssen, scheinen einige Länder erst jetzt zu realisieren – fünf Wochen nach Start der Impfungen mit Johnson & Johnson.
So erklärt ein Sprecher des Thüringer Gesundheitsministeriums gegenüber der „Welt“, „aktuell“ an der Übersetzung bestehender Informationsmaterialien für fremdsprachige Bevölkerungsgruppen zu arbeiten. Auch ein Sprecher des Gesundheitsministeriums von Schlusslicht Rheinland-Pfalz sagte dem Blatt, dass die Impfkampagne für genannte Personen und Institutionen nun in der „Vorbereitungsphase“ sei.
Impfstoff wurde zunächst nicht an Praxen oder Impfzentren abgegeben
Der Fakt, dass viele Länder trotz der absehbaren Verzögerungen beim Impfen das Vakzin von Johnson & Johnson zunächst nicht an Arztpraxen und Impfzentren weitergaben, verlangsamte das Impftempo zusätzlich. Johnson & Johnson wurde zum Rohrkrepierer.
Das dürfen die Hausärzte, die vergangene Woche 540.000 Dosen erhielten, nun ändern. Sie sollen zeitnah die Verimpfung von Johnson & Johnson vorantreiben und die Impfkampagne beschleunigen – genauso, wie es Jens Spahn angekündigt hatte. Am 21. April.
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