Schmerzen bekämpfen: Vollkommen neuer Ansatz in der Schmerztherapie – Naturheilkunde & Naturheilverfahren Fachportal

Mögliche Ursache für chronische Schmerzen entdeckt

Jeder vierte Mensch leidet mindestens einmal in seinem Leben unter chronischen Schmerzen. Solche Leiden können mitunter jahrelang anhalten, schränken die Lebensqualität massiv ein und haben oftmals keine eindeutige Ursache. Ein Forschungsteam gewann nun tiefere Einblicke in die Art und Weise, wie Schmerzen im Körper weitergeleitet werden. Dies eröffnete einen völlig neuen Ansatz zur Schmerzbehandlung.

Forschende des Weizmann-Instituts für Wissenschaften (WIS) in Rehovot und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) beschreiben einen bislang unbekannten Ansatz zur Schmerztherapie, der auf die Signalweiterleitung in Nervenzellen abzielt. Seine Studienergebnisse präsentierte das Team kürzlich in dem renommierten Wissenschaftsjournal „Science“.

Was sind Importine?

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konzentrierten sich in ihrer Forschungsarbeit auf bestimmte Moleküle, die für die Übertragung von Informationen eine wichtige Rolle spielen – die sogenannten Importine. Sie befinden sich in jeder Zelle des Körpers und erleichtern den Austausch zwischen dem Zellkern und dem umgebenden Zytoplasma. Importine regeln ebenfalls, welche Moleküle in den Zellkern hinein und welche wieder heraus geschleust werden. Sie fungieren also als eine Art Türsteher für den Zugang zu den Genen.

Was haben Importine mit Schmerzen zu tun?

Es gibt viele verschiedene Importine, deren genaue Funktion zum Teil noch unbekannt ist. Das Forschungsteam identifizierte nun ein bestimmtes Importin, welches an der Weiterleitung von Schmerzen beteiligt ist: Das sogenannte Importin alpha-3 leitet Informationen über Schmerzen in den Zellkörper von Nervenzellen weiter.

Das für die Schmerzweiterleitung verantwortliche Importin entdeckte das Team bei Versuchen an Mäusen. „Zu diesem Zweck haben wir Mäuse genetisch so verändert, dass in jeder Linie eines dieser Importine fehlte“, beschreibt Forschungsleiter Professor Michael Bader den Studienablauf. Durch Verhaltensanalysen der verschiedenen Linien zeigte sich, dass nur Importin alpha-3 an der Steuerung von Schmerzen beteiligt ist.

Ursache für chronische Schmerzen?

Da das verantwortliche Importin nun identifiziert war, konnte das Team dieses genauer analysieren. Dabei zeigte sich, dass Importin alpha-3 ein bestimmtes Protein namens c-Fos in den Zellkern schleust. Dieses Protein wirkt direkt auf die Gene und erhöht oder senkt deren Expression. Bei Mäusen mit chronischen Schmerzen zeigte sich eine Ansammlung von c-Fos in peripheren Nervenzellkernen. Als das Team das Importin alpha-3 deaktivierte oder die Produktion des Proteins c-Fos senkte, verringerten sich die Reaktionen auf chronische Schmerzsituationen bei den Mäusen deutlich.

Neue Wirkstoffe gegen chronische Schmerzen entdeckt

Da das Blockieren von Importin alpha-3 ein geeignetes Mittel gegen anhaltende, chronische Schmerzen zu sein scheint, durchsuchte das Forschungsteam die Wirkstoffdatenbank des US-amerikanischen Broad Institute in Massachusetts. Diese Datenbank ist spezialisiert auf den Zusammenhang zwischen Medikamenten und Genexpressionsmustern.

Die Forschenden fanden rund 30 existierende Medikamente, die eine mögliche Wirkung auf den Importin-alpha-3-c-Fos-Signalweg ausüben könnten. „Bei fast zwei Dritteln der identifizierten Präparate war die schmerzlindernde Wirkung bislang unbekannt“, betont das Team.

Bei Mäusen bereits erfolgreich

In weiteren Versuchen testeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwei der gefundenen und bereits zugelassenen Medikamente (ein kardiotonisches Mittel und ein Antibiotikum) an den Mäusen mit chronischen Schmerzen. Beide Präparate linderten erfolgreich die Schmerzsymptome.

Neue Wirkstoffe schon bald verfügbar?

„Die Präparate, die wir im Rahmen dieser Datenbankrecherche identifiziert haben, sind eine Art Schnellspur – ein Beweis dafür, dass bereits für andere Leiden zugelassene Medikamente wahrscheinlich auch zur Behandlung von chronischen Schmerzen eingesetzt werden können“, resümiert Dr. Letizia Marvaldi, die zusammen mit Professor Bader die Studie leitete. Da die gefundenen Wirkstoffe nachweislich für den Menschen ungefährlich seien, könnten klinische Versuche zeitnah starten. (vb)

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