Labor statt Wildtier?: Forscher kritisieren These zu künstlichem Corona-Ursprung
In sozialen Netzwerken kursiert derzeit die Behauptung einer chinesischen Virologin, das Coronavirus sei von China in einem Labor hergestellt und absichtlich freigesetzt worden.
Die globale Wissenschaftsgemeinde widerspricht vehement. „Es wurden Daten einseitig interpretiert. Alles, was gegen ihre Hypothese spricht, wurde einfach nicht berücksichtigt“, sagte Friedemann Weber, Virologe an der Uni Gießen.
Vermischung aus Daten und Vermutungen
Li-Meng Yan hatte ihre These Mitte September auf einen Server für sogenannte Preprints hochgeladen – für Arbeiten also, die noch nicht von anderen Forschern begutachtet und in einem Fachjournal veröffentlicht sind.
„Was da drin steht, hält einem wissenschaftlichen Gutachtertum nicht stand“, monierte Weber. Beim US-Sender Fox News erweiterte Yan ihre Behauptung noch: Sars-CoV-2 sei nicht nur künstlich hergestellt, sondern auch absichtlich freigelassen worden.
Webers Urteil deckt sich mit dem von Fachkollegen. Der Virologe Stephan Ludwig aus Münster sieht in Yans Aufsatz eine „Vermischung aus Daten und Vermutungen“. Er verweist auf eine Studie in der Fachzeitschrift „Nature“.
Deren Autoren kamen schon im März zum Schluss, dass eine Herstellung des Virus im Labor unwahrscheinlich sei. Laut Weber liegt das etwa am Aufbau der Bindestelle zwischen Virus und Zelle: „Wenn man so ein Virus absichtlich konstruieren wollte, würde es anders aussehen.“
So ein Virus entstehe nur in der Natur
Zu Diskussionen um eine bestimmte Spaltstelle in einem Oberflächenprotein des Virus hatte der Berliner Virologe Christian Drosten schon im Mai gesagt: „Wir wiederholen hier eine Diskussion, die wir um die Influenza auch schon geführt haben.“
Schon seit vielen Jahren sei klar, dass so etwas in der Natur entstehe – unter Selektionsdruck, weil es dem Virus etwas nütze, sagte er im NDR-Podcast.
Frank Hufert, Virologean der Medizinischen Hochschule Brandenburg, gibt bei Yans Aussage, China habe das Virus absichtlich freigesetzt, noch einen weiteren Aspekt zu bedenken:
„Es gibt für diese Krankheit auch in China keinen Impfstoff und keine Therapie“, sagte er. „Ich sehe keinen Grund, warum man einen Ausbruch im eigenen Land starten und damit Menschen und Wirtschaft gefährden sollte.“
Organisationen statt Forschungseinrichtung
Auch zahlreiche andere Forscher etwa aus Großbritannien, Frankreich und den USA kritisierten den Beitrag als unwissenschaftlich. Bemängelt wird zudem nicht nur der Inhalt von Li-Meng Yans hochgeladenem Preprint.
Dort, wo Wissenschaftler sonst ihre Forschungseinrichtung angeben, steht bei Yan und ihren drei Co-Autoren: Rule of Law Society & Rule of Law Foundation. Dahinter verbergen sich keine Institute, sondern zwei Organisationen.
Auf der Webseite der Rule of Law Society wurde zumindest 2019 Steve Bannon als Vorsitzender genannt, der Ex-Chefstratege von US-Präsident Donald Trump. Erst im Juli standen Yan und Bannon in Virginia gemeinsam auf der Bühne, mit der Aufschrift „War Room Pandemic“ („Kriegsraum Pandemie“) in großen Lettern auf dem Bühnenbild, wie in einem Youtube-Video zu sehen ist.
Gegründet wurde die Rule of Law Society von Guo Wengui alias Miles Kwok, einem Milliardär aus China, der vor einigen Jahren in die USA ins Exil ging. Bereits im Januar wurde auf Guos Nachrichtenportal „GNews“ behauptet, China werde bald den „Unfall“ in einem Viruslabor in Wuhan zugeben, aus dem das künstliche Virus stamme.
Faktenchecker fanden keinen Beleg dafür, dass die Geschichte wahr sein könnte. Die US-Geheimdienste teilten im April ihre Ansicht mit, dass das Virus nicht im Labor hergestellt worden sei.
Yan forschte zu Beginn des Sars-CoV-2-Ausbruchs in einem Labor der Universität Hongkong am Coronavirus, im April setzte sie sich in die USA ab. Im Juli distanzierte sich ihr früheres Labor in Hongkong in einer Mitteilung von ihr:
Es gebe keine wissenschaftliche Grundlage für Yans Aussagen. Nach ihren neuen Behauptungen im September hat Twitter nun ihren Account gesperrt. Facebook und Instagram versahen Videos ihres „Fox News“-Auftrittes mit Warnhinweisen von US-Faktencheckern.
Virus stammt aus der Tierwelt
Doch auf welchem Weg fand Sars-CoV-2 nun tatsächlich zum Menschen? Dass es von Tieren übersprang, gilt als wissenschaftlicher Konsens – doch wo, wann und von welcher Tierart genau, ist nach wie vor unklar.
Chinas Vorgehen bei der Aufklärung des Ursprungs ziehen Forscher durchaus in Zweifel. „Dass es keine ordentliche Untersuchung gegeben hat, muss man schon kritisieren“, sagt der Gießener Virologe Weber. „Da ist noch vieles im Unklaren.“
Es komme in China nicht nur Wuhan als erster Verbreitungsort infrage, hatte Michael Ryan von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Anfang August erklärt. „Es gibt Lücken in der epidemiologischen Landschaft.“
Von der WHO geführte internationale Teams sollen in China diesen und anderen ungeklärten Aspekten nachgehen. Ergebnisse liegen bisher noch nicht vor.
Deutsche Presse-Agentur (dpa)
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