Antibiotika wirken nicht! Gefährliche Superkeime töten 33.000 Menschen in Europa
Die Todesfälle sind seit 2007 erheblich angestiegen, wie Wissenschaftler der EU-Seuchenschutzbehörde ECDC im Fachblatt Lancet Infectious Diseases berichteten. Bis dato waren die Experten von rund 25.000 Fällen pro Jahr ausgegangen.
2015 starben etwa 2400 Deutsche durch mulitresistente Keime. In Italien fielen sogar 10.762 Personen solch einer Infektion zum Opfer. Am meisten gefährdet sind der ECDC zufolge Neugeborene und Kinder im ersten Lebensjahr.
Dr. Michael Ebenhoch, Leiter der Stabstelle Infektiologie an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in Murnau, erklärte zu der Problematik nun im BR:
"Wir sehen über die letzten Jahre zunehmend mehr Patienten, die mit multiresistenten Erregern kolonisiert sind und dann auch Infektionen zum Teil damit erleiden, die nur noch sehr eingeschränkt bzw. in Einzelfällen gar nicht mehr behandelbar sind mit den uns zur Verfügung stehenden Antibiotika."
Die gefährlichen Keime kommen größtenteils in Krankenhäusern vor und werden dort von Patienten, die sie im Darm oder auf der Haut haben, auf andere übertragen.
Reserveantibiotika inflationär eingesetzt
Die sogenannten Reserveantibiotika sind die letzte Hoffnung für Patienten, die sich mit multiresistenten Keimen infiziert haben. Sie sollten normalerweise nur verschrieben werden, wenn andere Antibiotika nicht helfen. Viele Ärzte behandeln trotzdem häufig sofort mit Breitspektrumantibiotika.
Das ist ein großes Problem, denn je öfter diese eingesetzt werden, desto schneller bilden sich Resistenzen. Etwa 30 Prozent aller Verordnungen wären vermeidbar. Auch der hohe Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft ist problematisch.
Resistenzen nehmen zu
Seit 2018 nehmen die Resistenzen bei der Klasse der sogenannten gramnegativen Darmkeime wieder zu, wie es beim BR weiter heißt. Gleichzeitig werden Reserveantibiotika zunehmend wirkungslos. Dr. Tim Eckmanns von Robert-Koch-Institut ist besorgt über diese Entwicklung. Denn dann kämen nur noch "Reserve Reserve Antiobiotika" zum Einsatz, wie er dem BR sagte. Das Problem: Diese hätten viele Nebenwirkungen.
OECD schlägt Alarm
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schlug bereits im vergangenen Herbst Alarm: In reichen Ländern könnte es wegen der Superkeime bis 2050 zu 2,4 Millionen Todesfällen kommen.
In der Analyse heißt es: „In Europa wird sich das Vorkommen von Keimen, die gegen solche Reserveantibiotika resistent sind, im Zeitraum 2005 bis 2030 verdoppelt haben, wenn wir das nicht mit verstärkten Anstrengungen bekämpfen.“
Von den 2,4 Millionen Toten, die bis 2050 in Nordamerika, Europa und Australien den Superkeimen zum Opfer fallen könnten, dürften rund 100.000 aus Deutschland stammen. Für die USA ist die Prognose sogar um einiges schlimmer: Jährlich könnten dort 30.000 Menschen ihr Leben verlieren.
Mögliche Gegenmaßnahmen
Die Gefahr ist eigentlich schon lange bekannt, doch bisher wurde laut der OECD nicht genug dagegen vorgegangen. Deshalb schlägt die Organisation drei Gegenmaßnahmen vor:
Erstens sollten Antibiotika weniger großzügig verschrieben werden. Dann könnten die Keime keine weiteren Resistenzen bilden.
Zweitens müsste die Hygiene in Krankenhäusern verbessert werden.
Zu guter Letzt sollten Länder mehr Geld in die Entwicklung besserer Arzneien investieren. So ließen sich viele Todesfälle verhindern.
Neue Antibiotika werden nicht entwickelt
Bei der Herstellung von Antibiotika fehlen jedoch vielversprechende Impulse aus der Grundlagenforschung. Für Pharmaunternehmen ist der Vertrieb von Reserveantibiotika zudem wenig lukrativ, wie Dr. Siegfried Throm vom Verband der forschenden Arzneimittelhersteller dem BR erklärt:
"Wenn ein solches Antibiotikum dann in den Markt kommt, wird es extrem selten eingesetzt. Von daher klappt das bisherige Geschäftsmodell der Industrie in diesem Falle nicht." Denn dieses beruhe ja darauf: "Ich entwickle mit hohem Aufwand ein neues Medikament und verdiene dann, solange der Patentschutz läuft, durch die Anwendung dieses Medikaments bei vielen Patienten."
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