Kampf gegen die Epidemie: Sind Schulschließungen eine sinnvolle Maßnahme gegen Corona?
Früher hitzefrei, heute Coronaferien. Etliche Kinder werden sich später mal daran erinnern, dass ihr Unterricht im Jahr 2020 wegen eines Virus für Tage oder gar Wochen ausfiel.
Im Zuge der Covid-19-Pandemie bleiben auch in Deutschland Schulen zeitweise geschlossen – Dutzende sind es derzeit schon bundesweit.
Weltweit verpassen gerade zig Millionen Kinder ihren Unterricht. Dabei sind sich Experten keineswegs einig, dass großflächige Schulschließungen zur Eindämmung von Sars-CoV-2 sinnvoll sind.
Ein bestätigter Fall reicht für Schließung
In Deutschland gilt derzeit meist: Sobald es einen bestätigten Fall in einer Bildungseinrichtung gibt, wird diese vorübergehend geschlossen.
So hat es etwa das bayerische Gesundheitsministerium verfügt. Auch wer aus einem Risikogebiet – zum Beispiel Norditalien – zurückkehrt, soll nach dem Willen der Behörden in München zunächst 14 Tage keine Schule oder Kindertagesstätte besuchen.
Dabei zeigen erste Datenanalysen: Anders als bei der Grippe sind Kinder bei Covid-19 wahrscheinlich keine bedeutsamen Treiber für die Ausbreitung des Virus in der Gemeinschaft.
Für Sars-CoV-2 sei abzusehen, dass Kinder nur sehr selten deutliche Symptome entwickeln, hieß es gerade von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Anzunehmen ist demnach auch, dass Kinder sich vor allem bei Erwachsenen anstecken – Erwachsene aber umgekehrt kaum bei Kindern.
„Schulschließungen können sinnvoll sein, wenn man Hygiene-Maßnahmen nicht gewährleisten kann“, sagt die Virologin Ulrike Protzer von der Technischen Universität (TUM) und vom Helmholtz Zentrum München.
„Aber man muss die enormen Auswirkungen auf die Wirtschaft und vor allem auch auf das Gesundheitssystem bedenken, wenn die jungen Eltern dann nicht mehr zur Arbeit gehen können, sondern sich um ihre Kinder kümmern müssen.“
Ausbreitung soll verlangsamt werden
Mit Blick auf Maßnahmen wie Quarantäne, Absage von Großveranstaltungen und Schulschließungen sei generell wichtig zu verstehen, dass diese nicht auf den Schutz von Einzelpersonen abzielten, weil das Virus etwa so außerordentlich gefährlich wäre. „Sondern sie sind wirklich gedacht, um die Ausbreitung zu verlangsamen“, erklärt Protzer.
„Wenn ich ein Virus habe, das auf 100 Prozent empfängliche Personen trifft, dann breitet sich das sehr schnell aus“, erklärt die Expertin.
In der Folge könne etwa das Gesundheitssystem überlastet und so die Versorgung von Erkrankten gefährdet werden. „Auch wenn man sagt, man schließt eine Schule, dann ist das nicht, weil man Angst hat, dass die Kinder krank werden“, sagt sie. „Es geht darum, die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen.“
Der Sprecher des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), Peter Walger, hält Schulschließungen ebenfalls nicht für sinnvoll.
Allein die Probleme, die sich aus der damit nötigen Kinderbetreuung ergäben, stünden nicht im Verhältnis zum Nutzen, sagte der auf Infektiologie spezialisierte Facharzt.
Auch er verweist darauf, dass Eltern dann ebenfalls zu Hause bleiben müssten – mit Folgen für deren Arbeitsstellen und das öffentliche Leben. „Es lohnt nicht, Schulen zu schließen.“
Kinder stecken sich genauso leicht an wie Erwachsene
Ganz so sieht es das Bayerische Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) nicht: Eine Schließung habe durchaus Potenzial zur Eindämmung der Epidemie, teilte die Behörde mit.
Es gebe Erkenntnisse, dass sich Kinder offenbar genauso leicht ansteckten wie Erwachsene. Tatsächlich kommen Forscher in einer kürzlich präsentierten kleinen Studie zu dem Ergebnis, dass Kinder sich wohl ähnlich häufig wie Erwachsene infizieren – aber nur sehr selten krank werden.
Warum Kinder eine Sars-CoV-2-Infektion offenbar besser abzuwehren vermögen, ist bisher unklar.
„Offen ist derzeit die Frage, ob Kinder das Virus genauso effektiv an andere Personen übertragen können wie Erwachsene“, heißt es vom LGL. Inwieweit Kinder ohne Symptome ein Übertragungsrisiko darstellten, könne aktuell nicht seriös beantwortet werden, sagt auch DGKH-Sprecher Walger.
Deutscher Lehrerverband gegen Coronaferien
Ansteckend oder nicht, für immer mehr Kinder heißt es in den kommenden Tagen wohl vorerst: schulfrei wegen Sars-CoV-2. Der Deutsche Lehrerverband (DL) schätzt, dass derzeit bundesweit rund 100 Schulen und Kitas von tage- oder wochenweisen Schließungen betroffen sind.
„Das ist aber eine Schätzung, die jederzeit von der Wirklichkeit überholt werden kann“, sagt DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger.
Der Verband sei gegen generelle, flächendeckende Schulschließungen – „sogenannte Coronaferien“ – wie in Italien, sagt er.
So etwas könne nur effektiv sein, wenn es begleitet werde von der Schließung aller Firmen, Arbeitsstellen und Restaurants, von Ausgangssperren und der Stilllegung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs.
Und selbst dann bliebe Meidinger zufolge die Frage: „Was ist nach zwei Wochen Coronaferien, wenn die Neuinfektionen nicht zurückgehen? Verlängert man dann nochmals und nochmals mit enormen Konsequenzen für Abschlussprüfungen und Schullaufbahnen?“
Daher sei seine Position: „Zum jetzigen Zeitpunkt und als isolierte Maßnahme hält der DL von generellen Schulschließungen wenig.“
Deutsche Presse-Agentur (dpa)
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