Wie ein Bakterium beim Abnehmen helfen könnte

Akkermansia muciniphila – ein Zauberspruch? Nein, hinter dem kryptischen Namen verbirgt sich ein Bakterium, das im Darm für die Neubildung der Schleimhaut verantwortlich ist. Wissenschaftler vermuten bereits seit Längerem, dass es sich positiv auf das Darmimmunsystem auswirkt. Nun haben belgische Forscher herausgefunden: A. muciniphila beeinflusst vermutlich auch unser Gewicht.

Die Darmflora, auch Mikrobiom genannt, bezeichnet die Gesamtheit aller Bakterien, die im Darm leben. Leidet der Mensch an bestimmten Stoffwechselstörungen, Darmkrankheiten oder Übergewicht, verändert sich das Mikrobiom. Im Fall von Adipositas- und Diabetes-Patienten verringert sich Experten zufolge dabei die Menge der A. muciniphila-Bakterien im Darm. Schrumpft die Darmschleimhaut, ist die Darmwand weniger geschützt und das Risiko für Entzündungen steigt.

Bakterium gegen Adipositas und Diabetes

Das belgische Forscherteam der Katholischen Universität in Leuven hat jetzt untersucht, wie sich das Bakterium unter anderem auf den Fettstoffwechsel und das Gewicht auswirkt. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Medicine“ veröffentlicht. Es ist die erste Studie, bei der es um sogenannte „neue“ Probiotika geht. „Alte“ Probiotika gibt es schon seit Längerem zu kaufen, beispielsweise als Nahrungsergänzungsmittel. „Damit ist die Studie in diesem Bereich eine Meilensteinstudie“, sagt Till Strowig, Forscher am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, der nicht an der Untersuchung beteiligt war.

An der Pilotstudie nahmen 40 übergewichtige bis adipöse Patienten mit einer sogenannten Insulinresistenz teil. Bei ihnen entfaltet das Insulin nicht mehr die gewünschte Wirkung, wodurch die Zellen nicht mehr ausreichend Zucker aus dem Blut aufnehmen können. Zudem litten die Testpersonen unter Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Fettleibigkeit.

Für die Untersuchung wurden die Probanden in drei Gruppen eingeteilt: Der ersten Gruppe verabreichten die Forscher abgetötete A. muciniphila, der zweiten lebende A. municiphila und die letzte Kontrollgruppe erhielt ein Placebo. Weder Teilnehmer noch Wissenschaftler wussten, wer welches Präparat erhielt. Während der Untersuchung sollten die Teilnehmer ihre bisherigen Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten beibehalten. Die Behandlung dauerte drei Monate.

Meilenstein der Mikrobiom-Forschung

Tatsächlich verbesserten sich mit dem Bakterium der Stoffwechsel und das Körpergewicht der Teilnehmer – ganz ohne zusätzliche Diät. Damit bestätigt die aktuelle Pilotstudie vorausgegangene Experimente an Mäusen, bei denen A. muciniphila die Entwicklung von Adipositas und Typ 2-Diabetes verhinderte.

In erster Linie profitierten jene Patienten, denen abgestorbene Bakterien verabreicht worden waren. Der Studie zufolge verloren einige Testpersonen etwas mehr als zwei Kilo ihres Körpergewichts, auch die Fettmasse war im Vergleich zum Ausgangswert um etwas mehr als ein Kilo zurückgegangen. Zudem hatten sich die Leberwerte verbessert. Nebenwirkungen konnten die Forscher nicht beobachten.

Aufgrund der geringen Teilnehmerzahl müssen nun groß angelegte klinische Studien folgen. Damit soll überprüft werden, ob die Behandlung tatsächlich so vielversprechend ist, wie sie erscheint. Zudem ist fraglich, ob die Ergebnisse der Pilotstudie außerhalb Europas Anwendung finden könnten.

A. muciniphila im Supermarkt

„Die Einflüsse auf das Mikrobiom sind vielfältig“, sagt Strowig. Nicht nur Genetik und Ernährung seien an der Vielfalt im Darm beteiligt. Untersuchungen unter anderem von US-amerikanischen Forschern zeigen, dass sich das Mikrobiom auch zwischen Kulturkreisen unterscheidet. Im Fachblatt „Cell Host & Microbe“ berichten die Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology von „östlichen“ und „westlichen“ Mikrobiomen.

Würde eine Therapie mit A. muciniphila entwickelt werden, müsste also geklärt werden, ob diese auch übergewichtigen US-Amerikanern oder Asiaten hilft. Dafür müsse die Studie in anderen Ländern und mit Probanden mit unterschiedlichem Darmmikrobiom wiederholt werden, meint Experte Strowig. In Deutschland könne es dagegen durchaus etwas schneller gehen.

Auch wenn noch weitere klinische Tests durchgeführt werden müssen, bevor das Bakterium als Medikament auf den Markt kommt: Laut Strowig ist es wahrscheinlich, dass die Bakterien schon vor ihrer Einführung als Medikamente als Nahrungsergänzungsmittel in den Supermarktregalen stehen.

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