Diesen Kampf wollte ich unbedingt gewinnen

Dass ein Biomarker-Test bei Brustkrebs Kassenleistung wird – auf diese Nachricht hatte ich gewartet, im vergangenen Spätherbst. Denn ich stand plötzlich vor der Frage: Chemotherapie machen oder nicht? Die erste Empfehlung der Ärzte war Ja, machen Sie eine Chemo. Die dann aus allgemeiner Skepsis und Verzweiflung eingeholte Zweitmeinung meinte, Nein, ist nicht notwendig. Also was tun? Ein Genexpressionstest, der in Eigenleistung etwa 3500 Euro kostete, hätte in meinem Fall – davon war ich überzeugt – für mehr Klarheit gesorgt.

Mittendrin im quälenden Entscheidungsprozess gab es also einen regen, ach was sag ich, manischen Schriftverkehr mit den zuständigen Stellen, dem G-BA, der Krankenkasse, dem Medizinischen Dienst: Wann denn ihre Richtlinie bezüglich des Genexpressionstests endlich stünde, es gäbe doch genügend wissenschaftliche Studien, die den Nutzen und die Vorteile eines solchen Tests belegen würden – ein ständiges Hin und Her.

Und ich gebe zu, die Pressestelle des G-BA sogar um ein zitierfähiges Statement gebeten zu haben, mit dem Hintergedanken: Druck ausüben, dann werden sie mit ihrem Beschluss schon herausrücken. Und mir den Test ermöglichen.

Ich redete, wäre ich bei jedem Schritt der Forschung dabei gewesen

Der Kampf um den sogenannten Oncotype DX-Test, ich wollte ihn unbedingt gewinnen. Familie und Freunde hörten den Namen dieses Tests zu Überdruss, ich redete über IQWiG-Nutzenbewertungen und TAILORx-Studien, als wäre ich bei jedem Schritt der Forschung dabei gewesen. Innerhalb weniger Wochen aber stellte sich heraus: Meinem Antrag wurde nicht stattgegeben, es gab noch keine entsprechende Richtlinie; den Kampf um den Oncotype, den verlor ich ebenso zügig wie unspektakulär.

Nun aber. Nun ist der Beschluss also da. Auch wenn er für mich zu spät kommt – ich musste regelrecht aufatmen, als die Nachricht in meiner Mailbox landete (ja, ich hatte die Beschlüsse des G-BA abonniert). Denn ich weiß: Er wird eine Erleichterung sein für sehr, sehr viele Frauen, mehrere Zehntausend pro Jahr in Deutschland, die sich künftig mit genau dieser Frage quälen müssen: Was tun nach der Diagnose Brustkrebs? Was tun, wenn eine Empfehlung nicht eindeutig ist? Wie errechnen, wie viel Prozent Überlebenszeit mehr eine Chemotherapie statistisch gesehen bringen wird?

Auch wenn das Rückfallrisiko bei Brustkrebs in relativem Frühstadium recht gering ist, die Onkologie rechnet immer mit der statistischen Wahrscheinlichkeit des Todes. Es ist eine surreale Situation, bei der man sich dabei ertappt, mit Prozentzahlen zu hantieren, die irgendwie – wenn auch entfernt – mit dem eigenen Lebensende zusammenhängen.

Mein simpler Dreisatz

Mein simpler Dreisatz fiel schließlich so aus: laut den sogenannten klinisch-pathologischen Faktoren würde eine Chemotherapie mir nur eine geringe Prozentzahl an Mehrwert bringen. Dafür aber viele Nebenwirkungen und möglicherweise dauerhafte Folgeschäden. Ich sah „Chemobrain“, chronische Fatigue, Polyneuropathien, all die bekannten und weniger bekannten Risiken der „Chemo-Keule“ – und verzichtete auf eine adjuvante Chemotherapie. Aus einer, wenn man so sagen kann, Mischung aus Statistik und Bauchgefühl heraus. Ohne Test.

Heute also hätte ich Hoffnung auf etwas mehr fundierte Informationen: Denn die Genexpressionsanalyse kann das Rückfallrisiko vorhersagen, zumindest in einem Korridor, der die Patientin in die Kategorien geringes, mittleres oder hohes Risiko platziert. Wie sich die Einzelne dann entscheidet, ist immer noch Sache der eigenen Abwägung. Ich hatte mir vorgenommen, ausschließlich bei hohem Rückfallrisiko eine Chemo zu machen. Andere entscheiden sich, sich der Behandlung sogar bei geringem Risiko zu unterziehen, um den Weg der größtmöglichen Sicherheit zu gehen. Diese Abwägung bleibt weiterhin bestehen.

Denn wie meine sehr kluge Ärztin sagte: Ein Test allein wird mir die Entscheidung, wie ich mit dem Krebs umgehe, nicht abnehmen. Trotzdem freue ich mich über den Beschluss, denn er gibt den Patientinnen in die Hand, was ihnen im Moment des krankheitsbedingten Ausnahmezustands fehlt: mehr Sicherheit für die eigene Entscheidung.

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